Januar 20, 2017

Arthur Manuel (1951-2017) – ein Nachruf

Arthur Manuel – Vorreiter im Kampf für indigene Rechte, Selbstbestimmung und Souveränität

von Dr. Peter Schwarzbauer

Arthur Manuel (1951-2017)

Mit kaum einer anderen indigenen Persönlichkeit aus Nordamerika hatte AKIN so langen und so intensiven Kontakt wie mit Arthur Manuel. Seit Bestehen von AKIN als eigenständiger Verein (2005) war Arthur Ehrenmitglied.

Arthur Manuel war in formeller und informeller Hinsicht eine der wichtigsten indigenen politischen Führungspersönlichkeiten in Kanada. Vor allem, da es ihm immer um Grundsätzliches ging: nicht um kurzfristige Entschädigungen oder andere „Almosen“, sondern um die Durchsetzung indigener Eigentumsrechte zur Schaffung einer nachhaltigen, langfristigen wirtschaftlichen und politischen Basis für das selbstbestimmte Überleben indigener Nationen in Kanada. Er war Visionär und einer der wesentlichen strategischen Denker der Dekolonisationsbewegung in Kanada.

Arthur Manuel ließ sich von politischen Gegnern niemals Sand in die Augen streuen und hat immer messerscharf analysiert. Sein Beharren auf langfristig wirksamen Grundsatzpositionen ohne Kompromisse ist auch in den eigenen Reihen nicht immer verstanden worden.

Von rechts nach links: Arthur Manuel, Peter Schwarzbauer und Stewart Phillip (Vorsitzender der Union of BC Indian Chiefs; UBCIC), British Columbia 2001

Arthur Manuel war Mitglied der Shuswap Nation in der kanadischen Provinz British Columbia. Er übte viele politische Funktionen aus, darunter als Chief der „Neskonlith Band“ und des „Shuswap National Tribal Councils“. Über lange Jahre war er Co-Chair des “North American Indigenous Peoples Caucus of the UN Permanent Forum on Indigenous Issues”. Er war aktiv in den Widerstandsbewegungen “Defenders of the Land” und “Idle No More” sowie auch Vorstandsmitglied im „Seventh Generation Fund for Indigenous Peoples“. Das Hauptanliegen von Arthur Manuel war die Durchsetzung des indigenen Landtitels (Aboriginal Title), welcher den Indigenen in British Columbia durch den Obersten Gerichtshof Kanadas bestätigt wurde (Delgamuukw Entscheidung, 1997). Die verschiedenen kanadischen Regierungsebenen (Bundes- und BC-Provinzregierung) waren bisher nicht bereit, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu respektieren und umzusetzen.

Arthur Manuel trat in die Fußstapfen seines politisch sehr aktiven und bekannten Vaters, George Manuel. Dieser war u.a. Gründungsmitglied der „Union of BC Indian Chiefs“ in British Columbia und Gründer des „Welteingeborenenrates“ (World Council of Indigenous Peoples).

Arthur Manuel, Bertha Williams mit anderen Indigenen an der UNO in Genf anlässlich einer Eingabe („Urgent Action“) bei UN-CERD, dem „UNO Committee bezüglich der Eliminierung Rassischer Diskriminierung“.

Arthur Manuel war immer gemeinsames Vorgehen von Indigenen Nationen und Interessenvertretungen wichtig, den kanadischen Regierungen die Unhaltbarkeit ihrer Einstellungen gegenüber Indigenen klar zu machen; nämlich, einfach Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu ignorieren. Manuel setzte stark auf internationale Aktivitäten.

So hatte er in Europa eine Allianz von Menschenrechtsorganisationen hinter sich (darunter auch AKIN), andererseits engagierte er sich in internationalen Gremien, wie etwa im UNO-Menschenrechtsbereich, in Aktivitäten der Biodiversitätskonvention und der „World Trade Organisation (WTO)“. So wie sein Vater arbeitete er nicht nur mit Indigenen Nordamerikas zusammen, sondern hatte Kontakte und Freundschaften zu Indigenen weltweit.

Drei Aspekte der Arbeit von Arthur Manuel der jüngeren Zeit sollen hier zur Illustration genannt werden.

Als Sprecher des „Indigenous Network on Economies and Trade” (INET) konnte er im Nadelschnittholzstreit zwischen den USA und Kanada (die USA hoben Strafzölle für aus Kanada importiertes Schnittholz ein, da die Kanadier zu Dumpingpreisen exportierten) die WTO überzeugen, dass Kanada durch die Nicht-Anerkennung indigener Eigentumsrechte (Aboriginal Titel) die kanadischen Sägewerke subventioniert. Die Schnittholz-Dumpingpreise Kanadas sind nämlich u.a. durch diese indirekte Subventionierung der Holzwirtschaft überhaupt möglich.

Im Jahre 2015 veröffentlichte er mit Grand Chief Ronald M. Derrickson als Co-Autor das Buch „Unsettling Canada. A National Wake-Up Call“, das die Indigenenpolitik Kanada’s schonungslos darlegte. Der Wohlstand Kanadas, der im Wesentlichen auf der Ausbeutung von Rohstoffen und einer nur geringen Wertschöpfungstiefe beruht, ist auf dem Diebstahl dieser Rohstoffe auf indigenem Land begründet. Die international renommierte Globalisierungsgegnerin, Umweltaktivistin, Journalistin und persönliche Freundin, Naomi Klein, schrieb das Vorwort.

Im Herbst 2016 brachte ihn sein Engagement zuletzt auch noch nach Standing Rock (North Dakota), wo er sich mit tausenden „Water Protectors“ gegen den Bau der Dakota Access Pipeline, die den Missouri unterqueren soll (NoDAPL), solidarisierte.

In seinem letzten Artikel, der eine Woche vor seinem Tod im “First Nations Strategic Bulletin” (August/December 2016 Issue) veröffentlicht wurde, schrieb er anlässlich der geplanten 150-Jahre Feiern Kanadas Folgendes:

Besuch von Peter Schwarzbauer in British Columbia auf dem Reservat der Neskonlith Indian Band. Mit Mitstreitern – im Zentrum Wolverine, 2003

„Unsere Reservate machen gerade 0.2% der Landfläche Kanadas aus, und trotzdem wird erwartet, dass die Indigenen Völker damit überleben sollen. Dies hat zur systematischen Verelendung der Indigenen Völker geführt, zur lähmenden Unterdrückung und dem Leid, welches durch das bestehende koloniale System verursacht werden.

Diese 0.2% Landbasis werden gezielt dazu benutzt um uns in Armut und zu schwach zu halten, um uns dagegen wehren zu können. Sie werden benutzt, um indigene Führungspersönlichkeiten zu bestechen und einzuvernehmen, um sie zu neo-kolonialistischen Partnern zu machen. Das Symptom Armut in indianischen Reservaten wird an der Oberfläche bekämpft, aber ohne die eigentliche Wurzel des Übels anzupacken – die Enteignung des gesamten Indigenen Territoriums durch Kanada und seine Provinzen“.

Zuhause bei Nicole Schabus und Arthur Manuel in Vernon (British Columbia) mit Peter Schwarzbauer und Gawan Maringer, 2008