Februar 20, 2018

Ein Manifest zur Versöhnung – Arthur Manuels Vermächtnis

Arthur Manuel, unser höchstgeschätztes langjähriges Ehrenmitglied des Arbeitskreises Indianer Nordamerikas, ist im Jänner letzten Jahres von uns gegangen. Dieser plötzliche Verlust beeinträchtigte unseren Arbeitskreis maßgeblich. Wir haben nicht nur einen essentiellen Partner, sondern vor allem einen besonders guten Freund verloren.

Umso mehr muss sein unermüdlicher Einsatz für indigene Völker ebenso hier in Europa aufrecht erhalten und weitergetragen werden. Unsere Kooperation gilt nun seiner Familie, die sein aktivistisches Erbe großartig weiter verkörpert.

Unsettling Canada – der nationale Weckruf

Arthur Manuels Vermächtnis ist auch in literarischer Form festgehalten. Sein erstes Buch Unsettling Canada – A National Wake Up Call (Verlag btlbooks, 2015), ist eine fundamentale Kritik am kolonialen Kanada, welche auch einen sehr interessanten Einblick in Arthurs biographischen Werdegang in Reflexion zur zeitgenössischen kanadischen Unterdrückungspolitik gewährt.
Im Erscheinungsjahr wurde es sogar in die nationale Bestseller-Liste Kanadas erhoben.

Auf diesem Erfolg anschließend konnte Arthur noch kurz vor seinem Ableben eine literarische Weiterführung vollenden. Ebenso wie beim ersten Projekt stand ihm auch hierbei unterstützend Co-Author Grand Chief Ronald Derrickson zur Seite.

The Reconciliation Manifesto – das Manifest zur Versöhnung

The Reconciliation Manifesto – Recovering the Land Rebuilding the Economy (Verlag Lorimer, 2017) versteht sich als fundamentale Aufarbeitung der Beziehungen und Unterdrückungsmechanismen zwischen Kanada und den auf gleichem Territorium beheimateten indigenen Völkern.

Hierbei steht der seitens der Regierung vereinnahmte und dadurch überstrapazierte Begriff „Reconciliation“ (Versöhnung) im Mittelpunkt von Arthur Manuel’s Analyse. Die kanadische Regierung sei lediglich an einer formalen „Schönheitskorrektur“ ihrer Indigenenpolitik interessiert, ohne sich den Wurzeln des Konfliktes widmen zu wollen oder gar eine positive Veränderung ernsthaft zu beabsichtigen. Arthur stellt dieser scheinheiligen Vereinnahmung des Begriffs einen radikal-ehrlichen Versöhnungsprozess entgegen.

Demnach kann wahrhaftige „reconciliation“ nur aufgrund der Beseitigung bestehender kolonialer Machtstrukturen und mit der Selbstbestimmung der indigenen Völker einhergehen.

Die „Triade des Kolonialismus“ – Probleme ansprechen anstelle von Kuschelpolitik

Die zu eliminierenden Wurzeln des Konflikts identifiziert er als „Triade des Kolonialismus“:

  • Dispossession (Enteignung)
  • Dependency  (Abhängigkeit)
  • Oppression  (Unterdrückung)

Detaillierte heimische wie auch internationale Beispiele aus Selbsterlebtem und historischem Kontext untermauern die Thesen des Autors.

Auf sehr unterhaltsame Weise spricht Arthur Manuel auch die nicht-indigene, kanadisch-dominante Leserschaft an, welche es, zwecks Versöhnungsprozess insbesondere zu überzeugen gilt.
Er kritisiert hierzu unter anderem die „Kuschelpolitik“ von Justin Trudeau, welche lediglich die seit jeher verfolgte koloniale Unterdrückung mit einem schönen, lächelnden Antlitz ziert.

Folglich kann sich die Lösung bezüglich wahrhaftiger Versöhnung nur in einer strukturellen Dekolonialisierung Kanadas und mit genannter Selbstbestimmung indigener Völker manifestieren.

Dann wird dem Begriff reconciliation –  Versöhnung – auch wirklich wieder die Ehre erwiesen, die dieser verdient.

Gawan Mahringer


Von AKIN wärmstens empfohlen:

The Reconciliation Manifesto – Recovering the Land Rebuilding the Economy (Verlag Lorimer, 2017), ab März auch im österreichischen Buchhandel zu bestellen.

Zu dieser Thematik ein YouTube-Video mit Arthur Manuel’s Worten, gesprochen von seiner Tochter Kanahus: