Rex Tilousi, der letzte spirituelle und kulturelle Führer sowie ehemaliger Stammesrat des kleinsten indigenen Volkes der USA, hat sich am 19. Juni 2021 auf den Weg zu seinen Vorfahren gemacht. Der Angehörige der Havasupai - des "Volkes des blau-grünen Wassers" im US-Bundestaat Arizona - war der Schweizer Anti-Atomszene kein Unbekannter.
Kein anderer Fall Indigener Völker betrifft die Schweiz direkter als der lange Kampf seines Volkes gegen die Uranwirtschaft. Ein paar Mal bereiste Rex Tilousi auf unsere Einladung hin die Schweiz nördlich des Gotthards und traf bei seinen Auftritten die Aktivist*innen von Public Eye, SES, Greenpeace, Stop Wellenberg, MNA, Mühleberg-Verfahren, etc., sowie viele Einzelpersonen, die er alle mit seinem integren Wesen und seiner Botschaft gegen die Atomenergie tief berührte.
Ab 1993 war sein Volk, das ein Seitental vom UNESCO-Weltnaturerbe Grand Canyon bewohnt, von Schweizer AKW-Interessen bedroht, elf Jahre wehrten sich die Havasupai gerichtlich gegen den geplanten Uranabbau durch den Konzern Energy Fuels Nuclear, der mit der damaligen Schweizer NOK ein Konsortium zur Uranförderung gebildet hatte. Zum Glück fiel der Uranpreis, und das Uranfördergebiet ausgerechnet bei ihrem Heiligen Berg Red Butte blieb verschont.
Aber die AKW-Betreiber ließen nicht locker, vor allem unter der Ära Bush oder Trump befürchteten die Havasupai das Schlimmste: würden die vielen Claims im Grand Canyon erschlossen und ein Unwetter würde zu großen Überschwemmungen und Dammbrüchen führen, dann wäre das gesamte Gebiet radioaktiv verseucht.
Ausgerechnet 1990 - im Vorfeld der drei Schweizer Atomenergieinitiativen - kam es zu einer Sturzflut, welche das Dorf Supai in ein nationales Katastrophengebiet verwandelte. Wäre das Uran bereits gefördert worden, hätten die bestehenden Rückhaltebecken beim heiligen Berg das 80 km entfernte Dorf Supai radioaktiv verseucht.
Damals war der Stammesvorsitzende Wayne Sinyella in der Schweiz und wollte NOK (heute AXPO) zur Aufgabe der Projekte bewegen. Auch verdeutliche er die unheilvolle Kette von Uranabbau und Endlagerung von radioaktiven Brennstäben.
1995 unterstütze Rex Tilousi MNA und das Stop Wellenberg-Komitee im Kampf gegen das geplante Endlager von Wellenberg - der zu seiner Überraschung die gleiche Form hat, wie ihr heiliger Berg.
An einem regnerischen Sonntag vor der Wellenberg-Abstimmung zogen 160 Männer, Frauen und Kinder mit ihm auf das Bettelrüti beim Wellenberg. Das Schweizer Fernsehen war dabei, wie Rex eine Zeremonie "für die Bäume und Berge, die sich nicht wehren können", abhielt. "Lass das Uran im Bauch von Mutter Erde, dann braucht es auch keine weiteren Gefahrenquellen wie Endlager - wir sind mit euch in Nidwalden und Engelberg verbunden", lautete seine zentrale Botschaft.
Es wird gesagt, dass der negative Ausgang den in der Abstimmungsnacht in Supai trommelnden Havasupai und seinem charismatischen Führer zu verdanken sei.
Rex liebte die Schweizer Berge und seine Bewohner*innen so, dass es ihm ein Anliegen war, 2009 nochmals zu kommen, sich in die Endlagerdebatte einzubringen und den Engelberger*innen Lieder zum Schutz ihrer Berge und Täler zu bringen.
Rex Tilousi durfte im Kreis seiner Familie friedlich einschlafen; er wäre am 15. August 74 Jahre alt geworden. Ein Kranz der Schweizer Anti-AKW-Aktivist*innen wurde an seinem Grab beim Grand Canyon in Flagstaff niedergelegt. Incomindios wollte die Familie seiner Nichte Carletta Tilousi einladen, um eine Gedenkfeier zu Ehren von ihm und der seit 1995/2009 verstorbenen Anti-Wellenberg Aktivist*innen abzuhalten. Nun hat Corona einen Strich durch die Pläne gemacht. Als Beraterin in der Regierung Biden ist das Risiko für Carletta zu hoch, in die Schweiz zu reisen. Einen Besuch zu einem späteren Zeitpunkt ist geplant.
Helena Nyberg, Zürich,
Menschenrechtsexpertin Incomindios
www.incomindios.ch