Juni 30, 2020

Canada Day 2020 – Native Lives Matter!

Insbesondere am Nationalfeiertag Kanadas gedenken wir – der Arbeitskreis Indianer Nordamerikas (AKIN) – der zahlreichen indigenen Opfer des andauernden systemischen Rassismus und polizeilicher Gewalt. 

Oftmals wird Kanada als vorbildlicher Nachbar der USA und positives Beispiel multikultureller Demokratie assoziiert. Wie schön war es doch anzusehen, als sich Prime Minister Justin Trudeau auf Knien mit der Black Lives Matter Bewegung solidarisierte und sich in Bezug auf Präsident Trumps Politik bestürzt 20 Sekunden in Schweigen hüllte. 

Neben dieser medialen Inszenierung des Prime Ministers sieht jedoch die Realität hinsichtlich überbordender polizeilicher Gewalt in Kanada keinesfalls besser aus: Sowohl in den USA als auch in Kanada ist die indigene Bevölkerung deutlich vor der afroamerikanischen Bevölkerung die prozentual am stärksten von Polizeigewalt mit Todesfolge betroffene ethnische Gruppe

Ein publik gewordenes, internes Memo des ehemaligen kanadischen Ministers für öffentliche Sicherheit Ralph Goodale offenbarte, dass von 2007 bis 2017 über ein Drittel (36%) der durch die Royal Canadian Mounted Police (RCMP) im Einsatz getöteten Menschen indigen waren. Scot Wortley, kanadischer Kriminologe der Universität von Toronto, bestätigt diese Berechnung ebenso für die Gesamtheit der kanadischen Polizeikräfte Kanadas neben der RCMP. Eine mehr als bestürzende Zahl, wenn man bedenkt, dass lediglich 5% der kanadischen Bevölkerung indigen sind. 

Rezente Ereignisse unterstreichen dies auf schockierende Weise: In Manitobas Hauptstadt Winnipeg wurden im April 2020 innerhalb von 10 Tagen 3 indigene Menschen von Polizisten getötet. Die Provinz Manitoba verzeichnete übrigens im Zeitraum 2000 bis 2017 19 durch Polizeigewalt umgekommene Todesopfer, 11 davon waren indigen – 60% bei 10% indigenem Bevölkerungsanteil in Manitoba. 

Am 4.Juni 2020 wurde die junge indigene Frau Chantele Moore in Edmundston, New Brunswick im Rahmen eines Gesundheitschecks von Polizisten erschossen. Ms Moore sei aggressiv und mit einem Messer bewaffnet gewesen. Der Polizist feuerte 5 Schüsse auf die zierliche Frau. 

Die Polizisten werden in Kanada in der Regel kaum zur Rechenschaft gezogen und dürfen ihren Beruf weiterhin unbehelligt fortführen. Medial finden die sich oft in ruralen Gebieten ereignenden Fälle kaum Rezeption und werden daher sowohl in der kanadischen als auch in der US-Gesellschaft kaum wahrgenommen. Erst durch die global erstarkte Black Lives Matter Bewegung konnte nun die ebenso schockierende Situation der Indigenen Völker in Kanada etwas im Rampenlicht aufscheinen und durch die Natives Lives Matter Bewegung in die Öffentlichkeit getragen werden.

Hierzu die Präsidentin der Native Women’s Association of Canada Lorraine Whitman: „Indigene Mütter in Kanada haben etwas fürchterliches mit den afroamerikanischen Müttern gemeinsam. Wenn unsere Kinder nicht rechtzeitig Nachhause kommen, sind wir voller Angst. Sind sie etwa von der Polizei mitgenommen worden? Wurden sie von der Polizei verletzt?“

Das sonstiges Bild bezüglich Menschenrechtsverletzungen Indigene Völker betreffend gibt leider auch keinen Grund zu feiern: Weder sind trotz vieler Versprechungen seitens der kanadischen Regierung die unzähligen Fälle verschwundener und ermordeter indigener Frauen genügend aufgearbeitet, noch hat Kanada Fortschritte hinsichtlich der Implementierung der UN Deklaration der Rechte Indigener Völker zu verzeichnen. Im Gegenteil: der Ausbau des auf dem Abbau und der Nutzung von Bodenschätzen beruhenden Industriesektors samt dazugehörigen Pipelines wird auf den Territorien der Indigenen Völker auch ohne deren Zustimmung und ausreichender Konsultation kontinuierlich vorangetrieben.

Oh Kanada, wahrlich kein Grund zum Feiern.

Mag. Gawan Maringer

Kontakt: Mag. Gawan Maringer, Arbeitskreis Indianer Nordamerikas (AKIN), WienTel.: 0680 2153482; frybreadpower@gmx.netoffice@arbeitskreis-indianer.at

 Der „Arbeitskreis Indianer Nordamerikas (AKIN)“ ist Teil der „European Alliance for the Self-Determination of Indigenous PeopleS“

Arbeitskreis Indianer Nordamerikas (AKIN), Vienna, Austria; www.arbeitskreis-indianer.at

Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V., Munich, Germany; www.aktionsgruppe.de

Comité de Solidarité avec les Indiens des Amériques (CSIA-NITASSINAN), Paris, France; www.csia-nitassinan.org

Internationales Komitee für die Indigenen Amerikas, Zurich, Switzerland; www.incomindios.ch

MENSCHENRECHTE 3000 e.V. (HUMAN RIGHTS 3000), Freiburg, Germany; www.menschenrechte3000.de

Tokata-LPSG RheinMain e.V. – Verein zur Unterstützung indianischer Jugend-, Kultur- und Menschenrechtsprojekte & Leonard Peltier Support Group (LPSG), Seligenstadt, Germany; https://www.leonardpeltier.de

Verein zur Unterstützung nordamerikanischer Indianer (ASNAI), Berlin, Germany; www.asnai.de