Februar 3, 2021

Carrie Dann, Newe (Shoshone) Hüterin des Landes – ein Nachruf

Die indigene Welt trauert um die Newe (Shoshone) Menschenrechtsaktivistin, Carrie Dann. Ihr unerbittlicher Widerstand, ihre vehemente Entschlossenheit ihre indigenen Rechte zu verteidigen, hat Generationen von Indigenen RechtsaktivistInnen, UmweltschützerInnen, Frauen, und MenschenrechtsverteidigerInnen lokal und global inspiriert.

Der Kampf der Western Shoshone ist seit langem ein wesentliches Element des Projekt-Portfolios des Seventh Generation Fund for Indigenous Peoples. Tatsächlich wurde das Western Shoshone Projekt bereits vom Vorgänger Programm des Seventh Generation Fund, dem vom Cayuga/Salish Visionär Daniel Bomberry gegründeten Tribal Sovereignty Program unterstützt. Das Western Shoshone Defense Project ist nach wie vor mit dem Seventh GenerationFund tief verbunden. 

Carrie Dann - prinzipientreue, kompromisslose Kämpferin für die Western Shoshone

Carrie Dann vertrat stets eine prinzipientreue, kompromisslose Haltung, um die Vertragsrechte ihres Volkes gemäß des Vertrages von Ruby Valley von 1836 zu schützen. Der vom US-Kongress ratifizierte Vertrag ist ein Friedens- und Freundschaftsvertrag, welcher das Territorium der Western Shoshone begrenzt und die friedliche Passage von amerikanischen Siedlern durch selbiges Territorium seitens der Western Shoshone gewährt.

Während der 1950'er Jahre gründete die US Regierung die sogenannte Indian Claims Commission, ein außergerichtlicher Rechtsträger, der anstrebte, 26 Millionen Dollar für 24 Millionen Acres (etwa 97125qkm) Land der Western Shoshone an Letztere zu bezahlen, dass angeblich bereits durch „allmähliche Eingriffe“ in den Besitz der USA übergegangen worden sei. Dieses koloniale Streben stieß auf Ablehnung und Jahrzehnte andauernden, heftigen Widerstand seitens der traditionellen Newe (Eigenbezeichnung der Shoshone), die darauf pochte: 

Mutter Erde steht nicht zum Verkauf.

m Jahre 1974 akzeptierte der US Innenminister die Indian Claims Commission Funds als „Treuhänder“ der Newe. 1986 entschied der Oberste Gerichtshof der USA, daß durch die vorangegangene Akzeptanz des Innenministers eine Zahlung an die Newe für ihr Land legitim und angemessen sein würde. 

In der Zwischenzeit beschuldigte das US Bureau of Land Management (BLM) die Dann-Schwestern, ihr eigenes Land illegal betreten zu haben. Es veranlasste eine Reihe von Maßnahmen, darunter den Einsatz von Helikoptern, Viehtransportern und schwerbewaffneten Söldnern, um das Vieh der Dann-Schwestern, aufgrund angeblicher Zerstörung des Landes durch Selbiges, zu beschlagnahmen. 

Im selben Atemzug genehmigte das BLM fortlaufend Schürfrechte für globale Bergbau-Giganten wie Barrick GoldNewmont Mining Corporation und vielen anderen Bergbauunternehmen, welche alsbald die Bergketten zerstörten, Grundwasserquellen leer pumpten und vollkommen austrockneten. Darüber hinaus erweiterte das Militär Operationen auf dem Vertragsgebiet der Newe, einschließlich der Errichtung und dem Ausbau von Luftwaffenstützpunkten, der Expansion von Atomtests und die Lagerung von Atommüll.

Während die diesbezügliche Rechtsgeschichte kompliziert ist, waren die Maßnahmen der US Regierung - die Belästigung, Widersprüche und Unwahrheiten - eindeutig. 

Die Newe-Positionen wurden vom United Nations Committee for the Elimination of Racial Discrimination (UNCERD) – dem Ausschuss der Vereinten Nationen zur Beseitigung von Rassendiskriminierung – bestätigt
UNCERD ist einVertragsorgan, daß die UN Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination umsetzt, welche von den USA 1994 unterzeichnet und ratifiziert wurde. Das UNCERD nahm Anstoß an der Behauptung der US-Regierung, daß die „gesetzlichen Rechte der westlichen Shoshone-Völker auf angestammtes Land durch „allmähliche Eingriffe“ ausgelöscht worden seien“, wenn doch die westlichen Shoshone ihr Land weiterhin gemäß ihrer Traditionen nutzen und beleben. 
Der Ausschuss äusserte ferner Besorgnis über die US Position, die sich nach wie vor auf der Grundlage von Prozessen der Indian Claims Commissionkonstituierte, "die nicht den aktuellen internationalen Menschenrechtsnormen, -grundsätzen und -standards entsprechen, die die Bestimmung indigener Eigentumsinteressen regeln". 
Folglich stellte UNCERD die Legitimität der Indian Claims Commission grundsätzlich in Frage.

Carrie war sich dessen bewußt, daß ihr Kampf um die Vertragsrechte der Newe und ihr Recht friedlich in ihrer Heimat zu leben, Positionen waren, die sowohl auf einer moralischen als auch auf einer rechtlichen Grundlage beruhten.

Gemäß der US Verfassung (Art. 6, Absatz 2), „Verträge sind das oberste Gesetz des Landes“, es erfordert sehr spezifische Maßnahmen, um die Bedingungen eines solch hochrangigen Vertrags zu ändern. Solche "spezifischen Maßnahmen" fanden niemals statt. Hingegen hat die US-Regierung gegen den Vertrag von RubyValley und hunderte anderer Verträge mit indigenen Nationen verstoßen, als wäre das  „oberste Gesetz des Landes“ niemals existent gewesen. 

Die Schwestern Carrie und Mary Dann

In einem der Filme über die Notlage der Western Shoshone bezüglich der Verteidigung ihrer Heimat, „To Protect Mother Earth - Brocken Treaty II (1991)“, stellte Carrie fest:

„Ich erinnere mich, einmal fragte ich meinen Vater, warum traust Du diesen Menschen? Er antwortete, ein Mann sollte stets seine Worte ehren, sonst sollte er sie nicht aussprechen. Das war unser Weg zur Zeit als die Weißen kamen. Unsere Leute ehrten ihre Worte, und dennoch, auch auf der anderen Seite wurden Worte ausgesprochen, welche sich niemals als ehrwürdig herausstellten.“

Auszeichnung mit dem alternativen Nobelpreis

Im Jahre 1993 zeichnete die norwegische Right Livelihood Foundation Carrie Dann und ihre Schwester Mary (1923-2005) mit dem Right Livelihood Award aus: “... für vorbildlichen Mut und Ausdauer bei der Durchsetzung der Rechte indigener Menschen bezüglich ihres Landes“. Der Right Livelihood Award wurde 1980 kreiert um “mutige Menschen, die globale Probleme lösen, zu ehren und zu unterstützen” und wird allgemein als alternativer Friedens Nobel Preis bezeichnet. 

Carrie war stets standhaft, niemals kompromittierte sie ihre indigene Existenz und ihr Recht als Newe in ihrer Heimat zu leben. Sie und ihre Familie hielten Jahrzehnte andauernder Belästigung, Missbrauch und rechtlicher Finten, um den Newe ihre Landrechte zu entziehen, stand. Diese ständige Bedrohung beraubte sie jeglicher Chance, ein wahrhaftig glückliches Leben zu leben. Selbst als alternde Großmütter waren sie noch immer dieser Bedrohung ausgesetzt. Dennoch, diejenigen von uns, die das Privileg hatten, mit Carrie und der Dann-Familie über die Jahre hinweg Zeit verbringen zu dürfen, wissen, daß sie stets bescheiden blieb, hart arbeitete, oft und gerne lachte, und die Gesellschaft so vieler Menschen genoss, die sie und ihren Kampf unterstützten.

Carrie zeigte wahrhaftig beispielhaft, was es bedeutet, ein guter Ahne zu sein. Ihr Leben, ihr Handeln und ihr Verantwortungsbewusstsein waren dem Wohl künftiger Generationen gewidmet: 

Ein guter Ahne zu sein bedeutet, sich um das Land, die Luft, das Wasser und die Lebensnotwendigkeiten zu kümmern, um zukünftigen Generationen ausreichend die Teilnahme daran zu sichern. Das wäre für mich ein guter Ahne. Kümmere dich nicht um dich selbst, sondern um die Zukunft.

Indem wir nach diesen Worten leben, können wir Carries Vermächtnis ehren.

Debra Harry, Ph.D., im Namen des den Seventh Generation Funds
Frei übersetzt vom Arbeitskreis Indianer Mitglied MMag. Gawan Maringer

Englischer Originaltext von Debra Harry:
Honoring the Legacy of Carrie Dann,Newe Land Defender


Zur Autorin:

Debra Harry, Ph.D. (Numu/Kooyooe Tukadu) ist außerordentliche Professorin für Indigene Studien der Studienabteilung für Gender, Rasse, und Identitäten an der Universität von Nevada, Reno und Ehrenmitglied des Arbeitskreises Indianer Nordamerikas.