CETA wird internationale Investitionen in den Raubbau von Ressourcen (Teer- sand, Fracking, Goldminen, Holz, etc.) massiv begünstigen. Damit wird die Durchsetzung der bestehenden indigenen Rechte in den betroffenen Territori- en noch schwerer.
In Kurze steht das immer umstrittenere Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada beim Treffen der EU-Regierungs-Chefs in Bratislava auf der Tagesordnung. Bisher kaum bekannt ist, dass CETA auch aus menschenrechtlicher Sicht abzulehnen ist, denn es bedroht die ohnehin äußerst schwierige Durchsetzung der Rechte Indigener Völ- ker in weiten Teilen Kanadas: in Territorien, die nie – oder unter bis heute strittigen Umständen – von Indigenen abgetreten wurden, und nun von extensiver Ressourcenaus- beutung durch internationale Konzerne betroffen sind.
Kanada verweigert permanent EU-Menschenrechtsstandards
Dabei stimmten alle EU-Mitgliedsstaaten geschlossen fur die UN-Declaration on the Rights of Indigenous Peoples (UNDRIP), die am 13. September 2007 von der UN-Gene- ralversammlung angenommen wurde. Deren Umsetzung wurde erneut im „Strategischen Rahmen und Aktionsplan der EU fur Menschenrechte und Demokratie“ vom 25.06.2012, 11855/12, bekräftigt. Die damalige kanadische Regierung hat hingegen zunächst eine An- erkennung der UNDRIP gänzlich verweigert und deren nationale Umsetzung bis heute weitgehend unterlassen. Auch das damit einhergehende Recht auf „free, prior and infor- med consent“ (FPIC); d.h. das Recht auf vorherige Konsultation und informierte Zustim- mung der betroffenen Indigenen Völker bezuglich jeglicher geplanter Entwicklungen auf ih- ren Territorien, wird missachtet. Kanada wurde hinsichtlich seiner Indigenenpolitik und der fortlaufenden Verletzung Indigener Rechte im eigenen Land unzählige Male von diversen UN – Gremien gerugt.
EU-Beschlüsse über Menschenrechtsklauseln in Handelsabkommen ignoriert
Mit der Entschließung vom 18.4.2012 zum „Jahresbericht zur Lage der Menschenrechte in der Welt und uber die Politik der EU zu diesem Thema“, hat das EU-Parlament u.a. die Forderung beschlossen, dass die EU-Organe die Menschenrechte in den Mittelpunkt ihrer Beziehungen zu allen Drittstaaten stellen. Danach soll in Handelsabkommen mit anderen Staaten eine klare und verbindliche Menschenrechtsklausel formuliert werden, so auch mit Kanada (Punkt 59 der Entschließung). Zudem sollen entsprechende Sanktionen vorge- schrieben werden.
Eine diesbezugliche Klausel ist jedoch im Freihandelsabkommen mit Kanada nicht verein- bart worden. Folglich verstößt CETA gegen diese Entschließung des EU-Parlaments.
CETA stellt Konzerinteressen vor indigene Rechte
Das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU dient insbesondere den Unter- nehmen als Deckmantel, um deren Vorgehensweise zur rigorosen Untergrabung von Um- weltschutzstandards sowie der Verletzung anerkannter Rechte Indigener Völker zu legiti- mieren. Die in der UNDRIP statuierten Rechte, insbesondere das Selbstbestimmungsrecht indigener Völker, ihre Souveränitätsanspruche, Eigentumsrechte und die Kontrolle uber ihre traditionellen Länder, Territorien und Ressourcen, finden im Vertragstext von CETA keine Erwähnung.
Gerade NAFTA verdeutlichte bereits, welche Auswirkungen sog. „Investorenschutzklau- seln“ haben können: Kanada wurde zum meistgeklagten Land unter Kapitel 11 („invest- ment chapter“), wobei 29 der 66 Investorstreitigkeiten einen Umwelt(schutz)bezug hatten (Stand Ende 2010).
CETA würde indigene Rechte unterminieren
CETA wurde ebenso dazu fuhren, dass sonst verpflichtende Interessensabwägungen in- nerhalb eines innerstaatlichen Verfahrens uber die Auswirkungen von Umweltschutz- bzw. Industrieprojekten umgangen werden, um uber den Abbau bzw. Schutz des Landes zu entscheiden. Gerade in Bezug auf Kanada ist der erleichterte Zugriff auf natürliche Ressourcen und die Energiegewinnung ein Hauptanliegen der EU. Durch CETA könn- ten daher z.B. kanadische sowie europäische Teersandunternehmen verstärkt die Ölvor- kommen Kanadas ausbeuten, ohne durch Umweltauflagen oder die Einhaltung von aner- kannten Eigentumsrechten Indigener Völker eingeschränkt zu werden.
Studie des EU-Parlaments kritisiert Menschenrechtsverletzungen durch Kanada
Die im Auftrag des EP-Unterausschusses fur Menschenrechte vom 18.9.2014 erstellte Studie „Indigenous Peoples, Extractive Industries and Human Rights“ empfiehlt, dass das Europäische Parlament seine Verpflichtungen zum Schutz und zur Förderung der Rechte indigener Völker nachzukommen hat, so wie sie in der UNDRIP enthalten sind. Dies wird jedoch von Kanada bisher kaum beachtet.
In diesem Zusammenhang verweisen wir insbesondere auf Kapitel 3 (The International Recognition of the Rights of Indigenous Peoples) der Studie. Darin wird Bezug genommen auf die vielfache Missachtung durch Kanada bei Empfehlungen der Human Rights Com- mission (HRC) und dem Committee on the Elemination of Racial Discrimination (CERD).
Indigene könnten gegen CETA klagen
Aufgrund ungeklärter Landrechte Indigener Völker sowie nach wie vor bestehenden aner- kannten indigenen Eigentumstitel in British Columbia (Aboriginal Titel, Delgamuukw-Ent- scheidung des Obersten Gerichtshofs von 1997; Tsilhqot’in v. British Columbia-Entschei- dung des Obersten Gerichtshofs, 2014) kann nicht ausgeschlossen werden, dass Indigene bei Ratifizierung von CETA die EU wegen Verletzung ihrer Rechte klagen werden.
Unter den genannten Gesichtspunkten stellt CETA ein massives Risiko fur die Wahrung der Menschenrechte dar und muß daher abgelehnt werden.
Rückfragehinweis:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Peter Schwarzbauer (Obmann), Tel.: +43-680-1155444
E-Mail: schwarzbauer@arbeitskreis-indianer.at