Januar 25, 2013

IDLE NO MORE – Presseaussendung: (Indigene) Ressourcenausbeutung – Nicht um jeden Preis!

Als Reaktion auf die verheerenden Entwicklungen unter der kanadischen Regierung von Premier Stephen Harper hinsichtlich indigener Rechte und Umweltschutz, ruft die Grassroots-Bewegung „Idle No More“ (zu Deutsch etwa „Nicht länger untätig bleiben“) am 28. Januar 2012 zum internationalen Aktionstag auf.

In dutzenden Städten Kanadas finden seit Ende 2012 Protestveranstaltungen statt, Flash Mobs werden organisiert, wichtige Autobahnen und Eisenbahnlinien blockiert und traditionelle Tänze auf öffentlichen Plätzen wie Einkaufszentren abgehalten. In Facebook und Twitter regnet es an Kommentaren, Meldungen und Solidaritätskundgebungen aus aller Welt. Die gesamte kanadische Presse beschäftigt sich intensiv mit dem Thema, insbesondere die Wirtschaftsmedien haben die Sprengkraft dieser Bewegung erkannt. Während „Idle No More Germany“ in Deutschland bereits Demonstrationskundgebungen am Brandenburger Tor abgehalten haben, formiert sich auch in Österreich gerade eine Facebook-Gruppe zu „Idle no More“.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die, ursprünglich von vier Frauen, Sheelah Mc Lean, Sylvia Mc Adams, Nina Wilson und Jessica Gordon aus der Provinz Saskatchewan, initiierte Grassroot-Bewegung „Idle No More“ Anfang November 2012 als Antwort auf neueste Sammelgsetze der kanadischen Regierung (C-38 und C-45), welche massive Einschränkungen von indigenen Vertrags- und Landrechten sowie Umweltschutzbestimmungen vorsehen. Chief Theresa Spence von den Attiwapiskat im Nordern der Provinz Ontario trat in einen Hungerstreik, denen sich einige prominente indianische Politiker anschlossen mit der Forderung eines Treffens mit Stephen Harper, um einen möglichen Interessensausgleich finden zu können.

Während man sich in Europa und anderen Ländern, ja vielleicht sogar eine erhebliche Anzahl an Kanadier/innen selbst, noch über diese „plötzliche“ landesweite Protestwelle wundert, kommt für viele „Idle No More“ längst nicht unerwartet.

Zu lange habe man untätig zugesehen, wie die konservative Regierungspartei unter Premier Stephen Harper mit Hilfe der absoluten Mehrheit im Parlament in einem pseudodemokratischen Prozess, ein Gesetz nach dem anderen durch das Parlament peitscht, um Kanada binnen kürzester Zeit in einen Art „Unternehmensstaat“ zu verwandeln, bei dem wirtschaftlichen Interessen höchste Priorität zukommt. Nicht die Wirtschaft scheint in Kanada für die Menschen da zu sein, sondern Menschen und Umwelt werden geopfert, sodass die Wirtschaft funktioniert. Gemeinsam mit der Rohstoffindustrie treiben somit die konservativen und neoliberal ausgerichteten Kräfte innerhalb der Regierung Gesetze voran, die vor allem Bestimmungen in jenen zwei Bereichen aufheben, die einer ungehinderten Rohstofferschließung (noch) entgegenstehen: Umweltschutzmaßnahmen und Land- bzw. Selbstbestimmungsrechte der First Nations.

So sehen die kontroversen Gesetzessammlungen C-38 und C-45 extreme Budgetkürzungen für das kanadische Umweltministerium vor, die dadurch ihre Aufgaben zur Kontrolle von etwa Wasserschutzgesetzen nicht mehr wahrnehmen können und in Folge ein Großteil an Gewässer wie Seen und Meere in Kanada ungeschützt bleiben (Zahlen sprechen von lediglich 97 weiterhin geschützten Gewässern von insgesamt ca. 32.000!). Einhergehend mit der Senkung und Beschränkung von Umweltschutzauflagen verlieren jedoch auch die First Nations die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen, die sich auf ihren traditionellen Territorien befinden.

Diese stehen ihnen aber aus Verträgen mit der Regierung zu und machen einen nicht unbeachtlichen Anteil der Gebiete aus, auf denen sich die begehrten Bodenschätze befinden. Die Nutzung dieser natürlichen Ressourcen kann (theoretisch) jedoch nur mit Konsens (sog. „free prior informed consent“) und in Absprache (Konsultationen) mit den entsprechenden First Nations erfolgen, was nicht nur national, sondern auch in internationalen Instrumenten (etwa durch die UN Deklaration für die Rechte Indigener Völker) verankert ist.

Zwar werden Verhandlungen über diese Rohstoffe auf indigenen Territorien geführt, diese finden aber nicht zwischen der Regierung und den Indigenen statt, sondern mit Rohstoffkonzernen, die ihre Interessen in Kooperationsverträgen ohne Konsultierung und in Verletzung der Verträge mit den First Nations zugesichert bekommen. Aufgrund dieser so entstehenden Rechtsunsicherheit werden nun selbst die Unternehmen nervös und fordern die Regierung vermehrt auf, Klarheit in Bezug auf die Landrechtsverträge mit den First Nations zu schaffen. Als Antwort darauf greift die kanadische Regierung jedoch nicht Mahnungen und dringende Empfehlungen von diversen UN-Gremien sowie Menschenrechtsorganisationen auf, seine rigorose Indigenenpolitik grundlegend zu überdenken, sondern erlässt stattdessen Bestimmungen in dem neuesten Gesetz C-45, die einseitige Änderungen von Verträgen mit First Nations ermöglichen, abseits jeglicher rechtsstaatlichen Prinzipien.

Diese rücksichtslose Vorgangsweise ging jedoch vielen First Nations endgültig zu weit. „Idle No More“ animierte somit auch all jene indigene Aktivist/innen und Menschen- sowie Umweltorganisationen, die schon längst besorgt diese Entwicklungen beobachteten. Nicht nur Indigene solidarisieren sich in dieser Bewegung über das ganze Land, sondern auch Nicht-Indigene bzw. Menschen über die Grenzen Kanadas hinweg stellen durch „Idle No More“ ganz klar, dass es sich dabei nicht nur um rein nationale, kanadische Angelegenheiten handelt. Vielmehr stellen diese Prozesse aktuelle, globale Trends dar, menschenrechts- und umweltschutzverletzende Opfer in Kauf zu nehmen, um wirtschaftliche Interessen voranzutreiben.

Energiegewinnung um (fast) jeden Preis? Auch in Österreich lassen sich bereits ähnliche Entwicklungen erkennen.

Beispiel dafür ist etwa die neueste Methode des sog. „Fracking“, wo insbesondere im niederösterreichischen Weinviertel die OMV schon seit einigen Jahren mit enormen Aufwand und Schäden für Menschen und Umwelt, Millionen Liter Grundwasser sowie zig Liter Chemikalien tief in die Gesteinsschichten pumpt, um dadurch Schiefergas zu gewinnen. Obwohl es durch die bekannten höchst negativen Folgen des „Fracking“ schon zu heftigen Widerständen in vielen europäischen Ländern gab, wo diese Methode ebenfalls zur Energiegewinnung angewandt wurde und sogar in einigen Staaten Schiefergasbohrungen wirklich eingestellt werden konnten, ist „Fracking“ in Österreich ist weiterhin erlaubt und wird betrieben.

Dies stellt nur einen der Anknüpfungspunkte für „Idle No More Austria“ dar, um sich mit „Idle No More“ zu solidarisieren, um sich klar gegen die Ausbeutung natürlicher Ressourcen um jeden Preis auszusprechen.

Presseaussendung zu Idle No More (pdf)