Lachse sind als Speisefische kaum mehr aus unserer Ernährung wegzudenken. Nur ein geringer Prozentsatz dessen, was sich auf unseren Tellern wieder findet, ist Wildfang. Da durch die Wildlachspopulationen die Nachfrage nicht gedeckt werden kann, stammt der überwiegende Teil aus Lachszuchten (Fischfarmen), die in Nordamerika (USA, Kanada), Nordeuropa (z. B. Norwegen, Schottland, Irland, Island), Chile, sowie im Süden Australiens und Neuseelands ansässig sind.
Bild entnommen aus dem Film "Artifishal: The Fight to Save Wild Salmon"
(Link zum Film weiter unten)
Mittlerweile stammen 98 % aller weltweit angebotenen Lachsprodukte vom atlantischen Lachs (Salmo salar) aus riesigen Zuchtanlagen. Weltweit werden 2,5 Mill Tonnen atlantischer Lachs pro Jahr gezüchtet. Zum Vergleich wurden in den 1980-er Jahre nur rund 22.000 Tonnen produziert.
So beliebt dieser Speisefisch ist, so umstritten allerdings sind die Zuchtmethoden!
Indigene an der Westküste in Kanada, deren Kultur und Wirtschaft zu einem wesentlichen Teil vom Lachsfang bestimmt wird, drohen durch groß angelegte Fischfarmen ihrer Lebensgrundlage beraubt zu werden. Der weltweit gestiegene Lachskonsum, auch in Europa, bedroht indigene Völker. Ein Anlass, sich mit den Hintergründen und Auswirkungen dieser Fischfarmen genauer auseinander zu setzen.
Nicht nur, dass die atlantischen Lachse ihr Leben in Käfigen fristen müssen, kommen noch weitere Probleme zu den Fischfarmen hinzu:
- Überfischung der Weltmeere für die Produktion von Fischmehl, -öl als Futter für die Zuchtlachse: für 1 Tonne Zuchtlachs werden 3 Tonnen Wildfisch gefangen
- Eingriff des Menschen in Ökosysteme durch die Verschleppung von Arten
- Vermischung von gezüchteten und wilden Populationen
- Einfluss auf die biologische Vielfalt
- Absterben der Tier- und Pflanzenwelt am Meeresgrund
- Belastung durch Antibiotika gegen Bakterien
- Verseuchung des Meeres mit Fungiziden gegen Pilzkrankheiten
- Einsatz von Pestiziden gegen Fischparasiten (Fischläuse)
- ansteckende Lachsanämie (Infectious Salmon Anemia / ISA)
- Gesundheitsrisiko für den Menschen
- Bedrohung der traditionellen Kulturen indigener Völker (Kanada)
Lachse werden bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts in Europa und Nordamerika gezüchtet. Von Beginn an kam es zu Weiterentwicklungen der Methoden in der Lachszucht. In den späten 1960er Jahren wurde die derzeit aktuelle Technik in Norwegen entwickelt. Bei dieser Art der Lachszüchtung werden riesige schwimmende Käfige ins Meer eingesenkt. Derartige Fischfarmen haben ungefähr die Größe eines Fußballplatzes (100 x 60 m).
Zuerst werden die Fischeier in großen Süßwassertanks bebrütet bis die Jungtiere schlüpfen. Ab einem Alter von 12 – 18 Monaten werden die jungen Lachse in die vorher erwähnten schwimmenden Käfige ins Meer umgesetzt. Dort werden sie für weitere 12 – 24 Monate mit industriell produziertem Futter (Futterpellets) aufgezogen, bevor sie in den Handel kommen. Je nach Größe der Käfige findet man einige hunderttausend Tiere in einer Aufzuchtanlage!
Überfischung der Weltmeere
Für die Herstellung dieser Futterpellets wird Fischmehl und Fischöl benötigt. Das Fischmehl und -öl stammt aus der sogenannten Gammelfischerei, die zusätzlich Druck auf die natürlichen Fischpopulationen ausübt. Durch die feinmaschigen Netze der Gammelfischerei wandert alles, was sich in den Fischnetzen wieder findet, unbegrenzt und ohne Rücksicht, in die Fischmehlproduktion. Man schätzt, dass mehr als die Hälfte des produzierten Fischmehls von den Fischfarmen verbraucht wird. Rund 30 Millionen Tonnen Fischmehl werden jährlich erzeugt.
Um eine Tonne Lachs zu produzieren, müssen drei Tonnen Wildfisch gefangen werden, um die für die Lachszucht notwendige Menge an industriell hergestellten Futterpellets zur Verfügung zu haben.
Verschleppung von Arten
Lachsfische waren ursprünglich auf der nördlichen Erdhalbkugel verbreitet. Man unterscheidet rund 200 Arten. Manche Arten leben ihr gesamtes Leben im Süßwasser, andere wandern nach dem Schlüpfen vom Süßwasser in die nördlichen Meere, um dann zum Laichen (Paarung) wieder in ihre Geburtsgewässer zurückzukehren (z. B. Atlantischer Lachs – Salmo salar).
Durch die weite Verbreitung der Fischfarmen über die Weltmeere kommt es zur Einschleppung von Arten in fremde Lebensräume, da immer wieder Zuchttiere in großen Mengen aus den Zuchtanlagen entkommen. Nach Schätzungen entkommen jährlich Millionen Lachse aus Zuchtkäfigen. In norwegischen Flüssen stammt mittlerweile jeder zweite Lachs aus Fischfarmen.
Dies führt dazu, dass in der Nähe der Fischfarmen heimische Lachsarten durch die entkommenen Lachse in ihrem Bestand zurückgedrängt und mittlerweile stark gefährdet sind.
Im Weiteren kommt es zur Vermischung von Wildlachspopulationen mit den gezüchteten Tieren aus den Aquakulturen. Forscher mahnen, dass dies den Genpool der Wildtiere stark gefährdet.
Bereits 2010 wurden wichtige Erkenntnisse zum Thema „Biologische Vielfalt“ veröffentlicht. In der Untersuchung von Dr. Schindler (Universität Washington, Seattle) konnte über einen Beobachtungszeitraum von 50 Jahren das Erfolgsprinzip der Streuung nachgewiesen werden. Wie vom Handel mit Wertpapieren bekannt ist, erhöht auch die biologische Vielfalt die „Gewinnaussichten“ von Lebewesen.
Lachse wandern nach dem Schlupf die Flüsse stromabwärts in die Meere. Im Erwachsenenalter kehren die Fische zurück in ihre Ursprungsgewässer (Flussoberläufe), um sich dort zu vermehren. Durch die starke Verästelung der Flüsse im Oberlauf, kommen Lachse einer Art auch aus verschiedenen Flussläufen. Dies bedeutet, dass sie unterschiedliche genetische Merkmale mitbringen. Genau diese genetische Vielfalt ermöglicht es einer Art auf Umwelteinflüsse reagieren zu können.
Der massive Einfluss der Fischfarmen auf die natürlichen Lebensräume beeinflusst somit stark die Populationsstruktur der Lachse!
Verwüstung am Meeresboden
Durch die großen Futtermengen, die mit Druckschläuchen über die Käfige „geschossen“ werden, um sie großflächig zu verteilen, kommt es zu Ablagerungen am Meeresboden, da nicht das gesamte Futter von den Fischen gefressen wird. Es bildet sich am Meeresgrund eine dicke Schicht aus Faulschlamm, die jedes Leben (Tiere wie Pflanzen) zerstört.
Antibiotika, Fungizide, Pestizide
Zu den bedeutendsten Krankheiten der Zuchtlachse gehören Hautparasiten wie die Fischläuse (parasitische Krebstiere), ein parasitisches Nesseltier und Furunkulose.
Die Fischläuse sind Parasiten, die sich an der Körperoberfläche der Fische mittels ihrer Mundwerkzeuge festkrallen und deren Haut durchbohren, um sich vom Blut und der Gewebsflüssigkeit der Fische zu ernähren.
Ein zweiter die Fischfarmen bedrohender Parasit ist ein Nesseltier (Kudoa thyrsites, zum Tierstamm der Myxozoa gehörend). Durch diesen Parasit kommt es zum Befall und zur Zersetzung des Muskelgewebes der Fische. Der wirtschaftliche Schaden ist enorm, da die befallenen Tiere nicht in den Handel gelangen dürfen.
Eine weitere Krankheit ist die Furunkulose, welche durch das Bakterium Aeromonas salmonicida hervorgerufen wird.
Um Lachse gesund zu erhalten und somit frei von Parasiten und Bakterien zu halten, ist ein massiver Einsatz von Antibiotika, Fungiziden und Pestiziden notwendig. Diese „Medizin“ wirkt nicht nur in den großmaschigen Käfigen, sondern sinkt zu Boden und entfaltet auch dort ihre Wirkung. Der Schaden ist nicht abschätzbar.
Infektiöse Lachsanämie
Auslöser dieser Krankheit ist ein Virus, welches hochgradig ansteckend ist. Im Erscheinungsbild dieser Krankheit zeigen sich blasse Kiemen, Leber- und Milzschwellung sowie Blutarmut (Verminderung des Hämoglobin-Gehaltes im Blut durch Mangel an roten Blutkörperchen). Die logische Folge davon ist, dass es zu einem verminderten Sauerstofftransport im Blut kommt und die Tiere massiv in ihrer Aktivität eingeschränkt werden.
Befallene Fischbestände sind nach EU-Recht zu töten. In der Zwischenzeit sind nicht nur Zuchttiere in British Columbia (Kanada), sondern auch Wildlachse von dieser anzeigenpflichtigen Tierseuche (Deutsches Tierärzteblatt) befallen.
Gesundheitsrisiko
Es wurde nachgewiesen, dass die Schadstoffe im Zuchtlachs signifikant höher sind als in Wildlachsen. Zusätzlich wurde festgestellt, dass die Belastung an Schadstoffen in Lachsen aus europäischen Zuchten signifikant höher ist als in Zuchten aus Nordamerika bzw. Südamerika. Fische von Lachsfarmen in Schottland und den Färöer Inseln hatten die höchste Belastung. Diese Untersuchung lässt daher den Schluss zu, dass die negativen Effekte des Lachsverzehrs die positiven Eigenschaften weit überwiegen.
So läßt sich z. B. Ethoxyiquin nachweisen. Dies ist eine Chemikalie, die bis 2011 als Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet wurde und weiterhin dem Fischfutter als Antioxidationsmittel beigemengt wird.
Bedrohung der traditionellen Kulturen indigener Völker in British Columbia
Die Ausbreitung der Fischfarmen in BC (British Columbia, Kanada) stellt eine Bedrohung der kulturellen Aktivitäten der indigenen Bevölkerung an den pazifischen Küsten dar.
First Nations (Ureinwohner in Kanada) leiten ihre Tradition und Existenz von der Wildlachs-Fischerei ab. Der Fischfang wird von ihnen seit tausenden Jahren praktiziert und stellt ein kulturelles Erbe für die kanadischen Indianer dar. Für viele indianische Gemeinden bildet der Fischfang noch immer das Fundament ihrer Kultur. „Für die Indianer ist Alles heilig“, meint Bob Chamberlin, Chief der Kwikwasutinuxw Haxwa´mis – First Nation in BC. Gerade deshalb steht für die First Nations viel auf dem Spiel. Es geht hier nicht nur um Nahrung, sondern auch um die Ausübung ihrer Traditionen (z. B. sog. Lachszeremonien, Namensgebung, Tänze).
Darum fordert Chief Chamberlin Maßnahmen zu ergreifen, um die Wildlachse in ihren Territorien zu schützen.
Grand Chief Stewart Phillip meint, dass es sehr wichtig sei, alle betroffenen First Nations und die Regierung von Kanada an einen Tisch zu bringen, um einen Managementplan zu erarbeiten, der das Überleben der pazifischen Lachse gewährleistet.
Untersuchungen haben nachgewiesen, dass Lachszuchten in der bisherigen Form der Aquakultur irreversible, negative Auswirkungen auf die Wildlachspopulationen haben. Dies betrifft im Besonderen Küstenbereiche, die juvenile Lachse zur Wanderung ins Meer benützen.
Die verbündeten Bands der Lax Kw´alaams – First Nation haben bereits im Jahr 2000 Lachsfarmen abgelehnt. Sie sind der Meinung, dass dieser Wirtschaftszweig die nächste Katastrophe in der langen Geschichte der Fischerei auslösen wird. Denn Missmanagement in der Fischerei der letzten Jahrzehnte hat dazu geführt, dass der Dorsch im Atlantik ausgerottet ist, und die nächste Katastrophe wäre für die Indigenen die Lachszucht in British Columbia.
Thomas Müllner, Arbeitskreis Indianer Nordamerikas
Quellen und weiterführende Links:
Artifishial (Dokumentarfilm)
https://www.youtube.com/watch?v=XdNJ0JAwT7I
(Stand 2.9.2020)
Atlantischer Lachs WWF Österreich:
http://www.wwf.at/de/menu24/arten71/
(Stand 2.9.2020)
Deutsches Tierärzteblatt, 2012, 60, 714-715
(Stand 2.9.2020)
Die Gier nach Lachs (Dokumentarfilm)
https://www.youtube.com/results?search_qury=die+gier+nach+lachs+arte
(Stand 2.9.2020)
Farmed Salmon Exposed (Part 1 – 4): (Dokumentarfilm)
https://www.youtube.com/watch?v=4ZBbYzyuwF0
(Stand 2.9.2020)
Ford, Jennifer S., Myers, Ransom A., 2008, A global assessment of salmon aquaculture impacts on wild salmonids. PLos Biology Vol. 6/3, 411 – 417
https://journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio.0060033
Gerwing, K., McDaniels, T., 2006, Listening to the salmon people: coastal first nations´ objectives regarding salmon aquaculture in British Columbia. Society and Natural Resources 19, 259 – 273
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/08941920500460864
Greenpeace Infoseite “Aquakultur”:
https://www.greenpeace.de/themen/meere/welche-aquakulturmethoden-gibt-es
(Stand 2.9.2020)
Hites, Ronald A. et al, 2004, Global assessment of organic contaminants in farmed salmon. Science Vol. 303, 226 – 229
https://science.sciencemag.org/content/303/5655/226
(Stand 2.9.2020)
Klaus Gregor: http://www.christina.ch/sites/aquakulturen.html
(Stand 2.9.2020)
Koordinationszentrum Natur und Umwelt e. V.:
http://www.naturschatz.org/kanada/panfish.htm
(Stand 2.9.2020)
Krkosek, M. et al, 2007, Declining wild salmon populations in relation to parasites from farm salmon. Science Vol. 318, 1772 – 1775
https://science.sciencemag.org/content/318/5857/1772/tab-pdf
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Krkosek, M. et al, 2005, Transmission dynamics of parasitic sea lice from farm to wild salmon. Proceedings of the Royal Society B 272, 689 – 696
https://royalsocietypublishing.org/doi/pdf/10.1098/rspb.2004.3027
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Lachsfarmen in Norwegen: Schlimmer als Schweinezucht
https://www.infosperber.ch/Artikel/Umwelt/Lachsfarmen-in-Norwegen-Schlimmer-als-Schweinezucht
(Stand 2.9.2020)
Lachszucht in Chile belastet Umwelt und Fischer
https://www.dw.com/de/lachszucht-in-chile-belastet-umwelt-und-fischer/a-45200818
(Stand 2.9.2020)
Lachszucht in Chile – Aquakultur mit Nebenwirkungen
https://www.deutschlandfunkkultur.de/lachszucht-in-chile-aquakultur-mit-nebenwirkungen.979.de.html?dram:article_id=445930
(Stand 2.9.2020)
Protecting wild salmon takes more than cherry picking and photo ops:
https://www.straight.com/news/1228061/chief-bob-chamberlin-protecting-wild-salmon-takes-more-cherry-picking-and-photo-ops
(Stand 2.9.2020)
Schindler et al, 2010, Population diversity and the portfolio effect in an exploited species. Nature Vol. 465, 609 – 612
https://www.nature.com/articles/nature09060
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https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-67398851.html
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The Tyee, BC´s home for news, culture and solutions:
http://thetyee.ca/News/2007/05/24/FishFarm2/
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WDR Dokumentation (Mediathek): „Lachsfieber“
https://www.youtube.com/watch?v=kD6uTn_mIeg
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Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ansteckende_Blutarmut_der_Lachse
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Wikipedia - Aquakulturtechnik:
https://de.wikipedia.org/wiki/Aquakultur
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Wild Salmon Summit 2018
https://www.bcafn.ca/sites/default/files/docs/reports-presentations/Wild-Salmon-Summit-Summary-Report-w.-Appendix-final-1.pdf
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https://www.worldwildlife.org/industries/farmed-salmon
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Zuchtlachse gefährden Wildlachse
https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/zuchtlachse-aus-aquafarmen-gefaehrden-wildlachse-a-957775.html
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