März 22, 2011

Was ist ein „echter“ Indianer?

„Die Leute sitzen zuviel vor dem Fernseher und kennen nur die Stereotypen über die Indianer. Wenn sie hören, dass indianische Musiker auftreten, denken sie an viele Federn und so, was nicht ganz schlecht ist, weil dies auch ein Teil von uns ist. Was die Leute nicht verstehen ist, dass wir auch „modern“ sind und eine gegenwärtige Kultur haben. Dies ist eines unsere Anliegen.“ (Klee Benally, Navajo, Arizona USA, Mitglied von der indianischen Punk/Rock Band „Blackfire“)

Über keine anderen ethnischen Gruppen in den USA gibt es so viele, weit verbreitete Klischeevorstellungen, wie die der Native Americans. In Filmen, Büchern, und Comics werden sie dargestellt: die „typischen Indianer“. Entweder als wilde, heidnische Barbaren, die alle Weißen skalpieren, oder als edle Wilde.

Stereotypen hier…

Im deutschsprachigen Raum wurde das ebenso romantische wie falsche Bild des „Indianers“ vor allem durch die Trivialliteratur Karl Mays geprägt. Bis heute machen sich Geschäftsleute diese Begeisterung für die Klischeevorstellungen zu nutzen. In so genannten „Indianerdörfern“ bieten sie Freizeitkurse im Bogenschießen, „Indianertänze“,

„Kriegsbemalung“ etc. an. Die meisten Besucher wollen dort ihre Ideen bestätigt sehen , so wird mit Tipis und Marterpfählen nicht gespart. Mit der Präsentation vom realen Leben der indigenen Nordamerikas und deren sozialer und politischer Situation lassen sich eben nicht so viele Menschen anlocken. Nur wenige Mitteleuropäer wollen sich mit den Problemen, mit denen die Native Americans zu kämpfen haben, bewusst machen. Jedoch sollte man auch nicht außer Acht lassen, dass einige Indianer als „Gastarbeiter“ bei diesen Veranstaltungen doch Geld verdienen können, indem sie zum Beispiel traditionelle Tänze zeigen.

Gelegentlich findet der eine oder andere Besucher auch Kontakt zu den indigenen Künstlern und fängt an, sich mehr mit Problemen der Indianer im realen Leben auseinander zu setzen. Klischees sind nicht unbedingt immer grundsätzlich falsche Informationen, doch geben sie nur einen Teil der sehr umfassenden Kultur wieder. Vielen ist somit nicht bewusst, dass es über 500 verschiedene indianische Ethnien gibt. Sie haben völlig unterschiedliche Lebensweisen und Kulturen, die in den letzten Jahrhunderten genauso einem Entwicklungsprozess unterzogen waren wie die europäischen. Auch früher wohnten beispielsweise nur wenige Indianernationen tatsächlich in Tipis.

…und in den USA

Unterschiedlich zu den Stereotypen im deutschsprachigen Raum, die durch den „edlen Winnetou“ positiv geprägt sind, fallen die Vorurteilein Nordamerika eher negativ aus. Das Bild des betrunkenen, obdachlosen, arbeitslosen Indianer ist weit verbreitet, jedoch teilweise auch die erschreckende Wahrheit, wenn man sich Statistiken über die Native Americans näher anschaut (so liegt zum Beispiel) die wahre Arbeitslosigkeit in den Reservaten bei cirka 80 bis 90 Prozent). Diese Sicht tut allen anderen Indianern, die täglich ihren Job nachgehen, schwer Unrecht.

Auch die Idee von den Indianer verschleudertes Steuergeld, geistert in den Köpfen vieler US-Bürgern. Sicherlich gibt es viele Alkoholkranke unter den Native Americans, doch genauso jene, die nur gelegentlich bzw. keine Spirituosen konsumieren. Verleitet wurden die meisten Indigene von den Europäern, die so die betrunkenen Indianer besser ausnutzen konnten. Freilich halten manche Native Americans – wie natürlich viele andere Menschen weltweit – Alkohol für eine Möglichkeit, ihren Sorgen und Probleme, meistens ausgelöst durch die Weißen, zu vergessen. „Stereotypen sind ein Teil des nationalen Bewusstseins. Wenn Leute anfangen würden, sich mit den indianischen Völkern und deren Kulturen wahrheitsgemäß und ernsthaft zu beschäftigen, dann müssen wir auch anfangen, uns über den Genozid Gedanken zu machen, der hier in den USA verübt wurde…und das wird nie passieren.“ (Sherman Alexie, Spokane/Coeur d’Alene Indian, indianischer Autor).

„Herzige Maskottchen“

Indianische Namen und Symbole für Sportmannschaften oder andere Highschool – Teams sind ein weitere heißer Diskussionspunkt. Namen wie „Chiefs“, „Seminols“, „Cherokees“, jedoch auch verächtliche Bezeichnungen wie beispielsweise „Redskins“ oder „Savages“ lassen so manchen Indianer grün vor Wut werden. Diese so genannten indianischen Maskottchen reduzieren hunderter Indigene zu dümmlich grinsenden, Feder beschmückten Comic – Charakteren, die nicht nur die traditionelle indigene Kultur entwürdigen, sondern vor allem auch indianische Jugendliche über ihre Herkunft beschämt machen. Dies meint auch die US-Kommission für zivile Rechte und fordert die Abschaffung von indianischen Logos oder Symbolen besonders in Schulen. Barbara Munson, Mitglied der Oneida Nation meint:“ Indianische Logos und Spitznamen unterstützen und erhalten Stereotypen über bestimmte Völker. Wenn so ein kultureller Missbrauch noch von gesellschaftlichen Institutionen unterstützt wird, dann erzeugt es einen institutionellen Rassismus.“ Jedoch entgegnen manche Native Americans, dass sie Stolz empfinden, wenn ihre Sportmannschaften ein indianisches Logo tragen und finden, dass ein Teil ihrer Geschichte verloren ginge, wenn man all diese Bezeichnungen abschaffen würde. Andere wiederum glauben, dass dieser Missbrauch von indianischer Kultur so selbstverständlich ist, dass es keiner mehr wirklich wahrnimmt. Trotzdem setzt schon langsam ein Umdenken ein. Seit 1969 haben sich schon mehr als 600 Sportmannschaften und Schulen von zum Beispiel „Redmen“ auf „Red Storm“ oder von „Mohawks“ auf nur „Hawks“ umbenannt.

Stereotypen machen es den indianischen Nationen nicht leichter, ihre Kulturen zu bewahren. Klischees fördern die Frustration, Angst und Unsicherheit unter den Indigenen viel mehr, als dass sie etwas nützen. Die geringschätzige Haltung der Weißen gegenüber den Native Americans schlägt auf deren Selbstwertgefühl, vor allem unter den jüngeren. So wirken sich diese Vorurteile oft auch im praktischen Leben aus, wie zum Beispiel bei der Arbeitssuche. Aufklärungsarbeit in den Schulen wird nun weiter gefördert, um ein besseres Verständnis für die politische und soziale Situation der Native Americans zu bieten, um das so verzerrte Image der Indianer zu korrigieren.

Michaela Mayer