von Eva Junga
Mike Ray Austin, Mitglied der Cherokee Nation mit österreichischer Mutter ist am 10. Jänner 2006 im 54. Lebensjahr verstorben.
Mike Austin ist eines der schönsten Beispiele dafür, dass das Ganze mehr ist als die Summe der Teile.
Vom Diskussionsleiter in einer Club 2 Sendung (ORF 2, 22.6.1993) gefragt, ob er ein Zerrissener sei, antwortete Mike: “Das war ich lange Zeit in meinem Leben. Es war ein schwieriger Prozess, alle Teile in mir zusammenzufügen für einen Weg, der für mich gut ist.“
Mike – das ist der Cherokee, der Österreicher, der Amerikaner, aber auch der Geschäftsführer in einem gastronomischen Betrieb und der Sozialarbeiter für Drogenabhängige, der Lyriker und der politische Aktivist. Auf der Suche nach einer Synthese gab Mike seinem Leben immer wieder eine neue Wende, er pendelte zwischen Sprachen; Kontinenten und Berufen, um sich zu erproben und den Platz zu finden, an dem er sich zu Hause fühlen konnte.
Nach seiner Ankunft in Wien im Jahr 1990 verlangsamte sich der Zyklus der Veränderungen. Die intensive Beschäftigung mit der cherokesischen Mythologie gab Mike die Kraft, seinen gebrochenen Kreis zu schließen. Er fand seinen Standort in den Generationen, die eine immerwährende Gemeinschaft bilden.
Die Anerkennung, die Mike in seiner indigenen Gemeinschaft erfuhr, motivierte ihn zu verstärkter politischer Aktivität. Was ihn zuvor als Defizit bedrückt hatte gereichte Mike nun zum Vorteil. Mit schlafwandlerischer Sicherheit bewegte er sich in der alten und der neuen Welt, um unbestechlich und eloquent die Anliegen indigener Völker zu vertreten. Er war der Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtet, Blender und Opportunisten erkannte er mit untrüglichem Instinkt und er ließ nicht locker, bevor er sie nicht zur Verantwortung gezogen hatte.
Mike, der Lyriker, wollte lange nicht glauben, dass er ein solcher sei. Es bedurfte vieler ermutigender Gespräche, um ihn davon zu überzeugen, dass die verschiedenen Sprachen in seinem Kopf keine Feinde seien sondern ihm dienen können. Als die Schwellenangst überwunden war und die Schleusen geöffnet, riss ihn der Strom seiner Kreativität mit sich und es zeigte sich, dass er nicht nur die lange Rede, sondern auch die kleine, komprimierte Form des sprachlichen Ausdrucks virtuos beherrschte.
Mike – das war auch der fürsorgliche Vater und Großvater, der liebevolle Sohn, der Geliebte und der Freund in des Wortes höchster Bedeutung. Kein anderer konnte sich dir so völlig zuwenden, wenn du Hilfe brauchtest, dich so über den Abgrund tragen, wenn du glaubtest, nicht mehr gehen zu können. Kein anderer konnte sich so öffnen und Einblick in sein großes Herz gewähren.
Mike Ray Austin, geboren am 1. Jänner 1954 verbrachte seine Kindheit sowohl in Linz als auch in Oklahoma, USA. Zwischen 1974 und 1989 war er Aktivist bei der Native American Center of Oklahoma City. Seit 1990 lebte Mike Austin in Wien, doch hielt er enge Kontakte zu seinem Volk. Er war stolz auf die Leistung der Cherokee Nation in den USA und hatte deren Anliegen mit Enthusiasmus und Engagement in Österreich vertreten. Mike war somit eine wesentliche Stütze und Mitarbeiter des Arbeitskreises Indianer Nordamerikas.
Es ist schwer zu ertragen, dass sein Platz in unserer Runde jetzt leer bleibt und wir seine Stimme nicht mehr hören können. Doch wir wollen es mit seinen Augen sehen: “Die cherokeseische Vision der Erde, des Universums, der Vergangenheit und der Zukunft ist ein ewig währender Kreis. Was heute wahr ist und was noch vor uns liegt, ist Teil eines unendlichen verschmolzenen Bandes, an dem die Vergangenheit ebenso lebendig ist wie die Gegenwart.“(TSALAGIHI AYELI-DIE CHEROKEE NATION, Michael R. Austin, 1993)
Vienna 92
I am here
in this
world
of my mother
I come
to learn
to help at home
in my other
world
of my father
pounds
in my veins
in my heart
as the eternal
drum-beat
on a summer’s night
calling me home
to Oklahoma.
(Mike Ray Austin)