von Zoltan Grossman
Im Jahr 1975 entdeckte der Exxon-Konzern im Landkreis Forest County im Norden des US – Bundesstaates Wisconsin ein Zink-Kupfer-Vorkommen und wollte es ausbeuten. Sein Vorhaben ist am Widerstand einer beispiellosen Allianz zwischen den indianischen Nationen und der nicht-indianischen Bevölkerung der Gegend gescheitert.
Der Standort des geplanten Bergbauprojekts {„Crandon Mine“) liegt wenige Kilometer von der Mole-Lake-Chippewa Reservation, vom Wolf River, der das Reservat der Menominee-Nation durchströmt, und von der Reservation der Potawatomis entfernt. Die Indianer sind auf saubere Gewässer angewiesen, denn Fischfang und Wildreis sind eine wesentliche Voraussetzung ihrer Ernährung und Kultur. Aber auch für die nicht-indianische Bevölkerung ist diese fast ungestörte Naturlandschaft eine wichtige Erwerbsgrundlage, da sie viele Sportangler, Kanuten und andere Wassersportler anlockt. Durch das geplante Bergwerk und seinen Abraum droht nun die Verseuchung der Gewässer.
Zwischen 1986 und 1992 ließ Exxon aufgrund sinkender Weltmarktpreise für Kupfer und Zink das Projekt vorübergehend ruhen. Es waren aber in dieser Zeit mehrere andere Bergbauprojekte in Wisconsin im Gange, was zur Bildung einer Widerstandsbewegung aus Umweltschutzgruppen führte, in der sich Indianer und Nicht-Indianer vereinten. Sie gründeten 1989 das Midwest Treaty Network (MTN), um die Achtung der indianischen Vertragsrechte in Wisconsin sicherzustellen. Bis 1994 war im ganzen Bundesstaat ein Netzwerk gegen die Bergbauindustrie an der Grenze der USA zu Kanada entstanden, das u.a. eine Initiative für ein Moratorium gegen den Abbau von Erzen einleitete. Im Jahre 1995 gründete MTN das Wolf Watershed Educational Project (WWEP), das sich aus etwa 30 Gruppen der indianischen Nationen, der Umweltschützer und der Sportangler zusammensetzt. Noch 1990 waren die Angler massiv gegen die vertragsrechtlich abgesicherte Speerfischerei der Chippewas vorgegangen (vgl. pogrom 152/1990, S. 57 ff). Seitdem organisiert das WWEP die Öffentlichkeitsarbeit gegen das Crandon-Projekt. Im Jahre 1997 gipfelte diese Arbeit – trotz einer intensiven Gegenkampagne der Bergbaulobby – in der Verabschiedung eines Bergbaumoratoriums im Landtag, das im März 1998 vom Gouverneur Wisconsins, Tommy Thompson, unterzeichnet wurde. Thompson gilt zwar als Befürworter des Bergbaus, wollte aber seine Wiederwahl nicht gefährden. Das Moratorium verbindet die Inbetriebnahme der Crandon Mine mit strengen Auflagen. So müssen die Betreiber ein vergleichbares Bergwerk nachweisen, das mindestens zehn Jahre lang in Betrieb war, seit mindestens zehn Jahren stillgelegt ist und dennoch keine Umweltschäden verursacht hat. Im Januar 1999 wurden sogar drei angebliche Beispiele vorgelegt. Die Bergwerke lagen jedoch in ganz anderen Klimazonen, die weit weniger Grundwasserrisiken bergen, und bei zwei von ihnen waren außerdem die zeitlichen Bedingungen nicht erfüllt. Somit liegt das Projekt noch auf Eis.
Exxon hat sich inzwischen vom Crandon-Vorhaben zurückgezogen. Schwer angeschlagen durch die Havarie der Valdez vor Alaska wollte der Konzern keinen weiteren Imageverlust riskieren. Zuständig ist nun Exxons Partnerfirma Rio Algom aus Toronto/Kanada.
Ausschlaggebend für diesen Erfolg einer kleinen Basisbewegung gegen einen Konzern-riesen war, daß im Norden Wisconsins eine ganz neue Bewegung entstanden ist, der es gelang, ethnische Grenzen zu überwinden. Diese Bewegung ist in der ansässigen Bevölkerung verwurzelt und wird – entgegen den Behauptungen mancher Kritiker – keineswegs von städtischen Intellektuellen gesteuert. Ihr gehören Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen an. Daher gelang es der Bergbaulobby nicht, einzelne Gruppen herauszubrechen und gegeneinander auszuspielen. Anders als bei den Konflikten um die indianische Speerfischerei hielten indianische Nationen und weiße Sportangler nun zusammen, denn letztere begriffen, daß es wohl keine Fische mehr geben werde, um die man sich streiten könne, wenn das Bergwerk in Betrieb gehe. Die nicht-indianischen Gemeinden gaben den indianischen Nationen ebenfalls Rückendeckung, als Gouverneur Thompson ihnen mit der Schließung der Spielkasinos drohte, sollten sie ihren Widerstand nicht aufgegeben, denn die Betriebe geben inzwischen auch vielen Nicht-Indianern Arbeit.
Die Kasinos haben die indianischen Nationen finanziell unabhädngig gemacht. Damit ist die Lage ganz anders als Ende der 80er Jahre, als die Chippewas von Lac Courte Oreilles, ihren Rechtsstreit gegen die Kennecott Corporation mit ihrem Kupferbergwerk in Ladysmith aus Geldmangel einstellen mußten.
Gemeinderäte wurden abgewählt, nachdem sie Absprachen mit Bergbaufirmen getroffen hatten. Eine Gemeinde wählte sogar demonstrativ einen Vertreter der Mole-Lake-Chippewas in den Gemeinderat. Als Exxon in einem Fernsehspot einen Gewerkschaftsführer aus der Gegend aufbot, der sich für den Bergbau aussprach, weil er in Wisconsin eine starke Zulieferindustrie und entsprechend viele Arbeitsplätze versorge, stellten sich andere Gewerkschaftsmitglieder mit Beschlüssen auf die Seite der Bergwerksgegner. Inzwischen wird in internationalen Bergbauzeitschriften vor einer Ansteckungs mit dem „Wisconsin-Anti-Bergbau-Virus“ durch das Internet gewarnt. In Wisconsin, Kanada, Australien und Papua Neu Guinea werde sich die Zukunft des Bergbaus entscheiden, heißt es. Der Ausgang sei noch offen. Rio Algom hat die Crandon Mine zum Gegenstand der Entscheidungsschlacht bestimmt, und will um jeden Preis gewinnen.
Dieser Artikel ist Walter Bresette, Evelyn Churchill, Hilary Waukau, Louis Hawpetoss, Ron Smith, und Evans „Crazy Horse“ Smith gewidmet, die in den Jahren des Kampfes um den Wasserschutz in Wisconsin gestorben sind.
Vom Autor übersetzt und von Yvonne Bangert bearbeitet.
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