März 26, 2021

75 Jahre Weltgemeinschaft der Völker

Haben die Indigenen Völker auch etwas zu feiern?

Wer hätte vor 75 Jahren gedacht, dass sich die Indigenen Völker drei Generationen nach Gründung der Vereinten Nationen an der UNO Gehör verschaffen, obwohl 1945 die UNO gar nicht für alle Völker aufgestellt war.

Einzug der Indigenen Delegierten: aus Nord-, Mittel- und Südamerika zur ersten UNO Konferenz, die Indigene Rechte zum Thema hatte, die „International Conference on Discrimination Against Indigenous Populations in the Americas“, im September 1977 (Foto: Jean-François Graugnard)

Zwar wollte die UN-Charta die Grundfreiheiten und Menschenrechte aller Menschen fördern, aber an die spezifischen Bedürfnisse von Völkern, die nicht gleichzeitig Nationalstaaten sind – speziell außerhalb von Europa und Nordamerika –, wurde nicht gedacht. So war der Prozess lang, bis Indigene von Feuerland bis Alaska oder von Sydney bis Sibirien ihre Forderungen der Weltöffentlichkeit präsentieren und verlangen konnten, in die Völkergemeinschaft aufgenommen zu werden. 

Die UNO wurde nicht gegründet, um uns den Himmel zu bringen, sondern um uns vor der Hölle zu bewahren. 

Sir Winston Churchill

Die UN-Charta beginnt zwar mit den Worten: «Wir, die Völker». Aber bis in die 1970er Jahre ignorierte die UNO die besonderen Bedürfnisse Indigener Völker, die zuerst als «Minderheiten» behandelt wurden. Erst 1971 wurden Indigene in einer Studie über Rassendiskriminierung erwähnt; trotzdem mussten sie in Genf vor den Toren des Genfer Völkerbundpalastes aufmarschieren und Einlass fordern, bis die damalige Unterkommission für die Verhütung von Diskriminierung und den Schutz von Minderheiten der Menschenrechtskommission José R. Martínez Cobo aus Ecuador zum Sonderberichterstatter ernannte und ihn beauftragte, die Lage der Indigenen Völker zu untersuchen. Er zeichnete ein erschütterndes Bild von Völkern weltweit, die von Ausbeutung und Armut betroffen waren[1]. Er war der erste UN-Experte, der die Indigenen als Völkerrechtssubjekte mit eigenen Rechten beschrieb.                                                                              

Es war nicht so, dass die Indigenen gar nie versucht hätten, an die UNO zu gelangen: Schon 1923 reiste Deskaheh von den Cayuga im Auftrag des Irokesenbundes nach Genf und verlangte vom Völkerbund die Anerkennung der Eigenständigkeit der Six Nations – er wurde nicht vorgelassen. Die Hopi nahmen ab 1949 vier Mal Anlauf, ihre Friedensbotschaft und die Warnungen aus ihrer Prophezeiung in New York im «großen Haus aus Glas, wo sich die Völker treffen» zu deponieren. Erst am UN-Menschenrechtstag (10. Dezember) 1992 konnte ihr letzter designierter Sprecher Thomas Banyaca gemeinsam mit Onondaga Grand Chief Oren Lyons ihre Botschaft verkünden – leider nur vor einer Handvoll Staatsvertreter*innen. Sie bedankten sich auch dafür, dass die UNO das Jahr 1993 zum Jahr der Indigenen Völker bestimmt hatte[2]. Am gleichen Tag erhielt die Quiché-Maya Rigoberta Menchú Tum aus Guatemala in Stockholm den Nobelpreis für Frieden, als erste Indigene und als eine der wenigen Frauen. Oren Lyons erinnert sich noch heute an den Tag, als die Indigenen erstmals in New York Zugang zur UNO hatten: "Wie oft standen wir auf der anderen Seite der Straße und wurden von der Polizei daran gehindert, zum Eingang zu gelangen – und dies auf unserem Land; New York ist Mohawk-Territorium, also Teil der Irokesen-Konföderation. In der Schweiz war es einfacher."

Im Gegensatz zu den Vereinten Nationen war die Internationale Arbeitsorganisation ILO in Bezug auf Indigene Völker schneller in der Kodifizierung von Normen für deren besondere Bedürfnisse. Sie verabschiedete die beiden Konventionen ILO 107 (1957) und ILO 169 (1989). Die erstere gilt heute als überholt, da sie Indigene nicht als Gemeinschaft berücksichtigt; die letztere wurde nur von einer geringen Zahl von Staaten ratifiziert, weil sie für das Arbeitsverhältnis, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung sowie für die kollektiven (Land)Rechte von Indigenen maßgeblich wäre. Aus Angst vor unerwünschten Konsequenzen in der eigenen Rechtsprechung verweigern bis heute auch Deutschland, Österreich und die Schweiz deren Ratifizierung, trotz intensiver Lobby-Arbeit einer Koalition von zivilgesellschaftlichen Organisationen in diesen Ländern. 

Flucht nach vorne – nach Genf

Eingang zum Völkerbundpalast in Genf  (Foto: Helena Nyberg)

Die Besetzung von Wounded Knee 1973 in Süd Dakota (USA) war der Auslöser zur Gründung des Internationalen Indianischen Vertragsrates (IITC[3]). Als politische Organisation des American Indian Movement reisten 1974 Vertreter des IITC an den Sitz der UN-Menschenrechtskommission in Genf und verlangten die Aufnahme in die Völkergemeinschaft. Zuvor hatten die Indigenen schmerzlich realisiert, dass weder in Kanada noch in den USA ein Wille bestand, ihre Rechte anzuerkennen, geschweige denn umzusetzen. So war der IITC die erste Indigenen-Organisation, die 1977 den Konsultativ-Staus des UN-Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC) erhielt. In jenem Jahr hatten die Indigenen bereits "Verbündete": UN-Angestellte öffneten ihnen wortwörtlich die Tore zur ersten regierungsunabhängigen Konferenz zum Thema Diskriminierung[4].
Edith Ballantyne, die damalige Generalsekretärin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (WILPF), konnte die Menschenrechtskommission von der Notwendigkeit einer solchen Konferenz überzeugen. Die heute 98jährige verfolgt und kommentiert noch immer die Entwicklung der Indigenen- und Frauenrechte in der UNO und wurde 40 Jahre später 2017 von den Indigenen am Symposium zur Erinnerung an 1977gewürdigt.

1981 fand die zweite NGO-Konferenz[5] an der UNO statt. Dabei stand die Anerkennung der Indigenen Landrechte im Vordergrund; denn ohne Land keine Kultur und Identität als Indigenes Volk. Bei beiden NGO-Konferenzen waren indigene Frauen sehr präsent. Dank der frühen Vernetzung reisten auch Delegierte aus Mittel- und Südamerika nach Genf. Gemeinsam schafften sie es, dass 1982 die Arbeitsgruppe der indigenen Bevölkerungen (WGIP)[6] eingesetzt wurde: Wie in Institutionen üblich, bildete man zuerst eine Arbeitsgruppe und siedelte sie zuunterst in der UN-Hierarchie an; hier wurden 5 Expert*innen beauftragt, sich mit der Lage der Indigenen auseinanderzusetzen und eine (nicht bindende) Erklärung der Rechte Indigener Völker auszuarbeiten. Diese sollte dann der UN-Generalversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden. Was die Staaten nicht voraussahen, war die Entwicklung und Breitenwirkung der WGIP. Unter der langjährigen, strengen aber umsichtigen Leitung der Griechin Erica-Irene Daes realisierten die Expert*innen, dass sie die Indigenen in den Prozess einbeziehen mussten und luden Indigene von allen Kontinenten ein.  

Der Onondaga Tadodaho Sid Hill, Head Chief of All the Six Nations, eröffnet alljährlich das Permanente Forum in New York  (Foto: Helena Nyberg)

Über die Jahre wuchs die WGIP zur meistbesuchten UNO-Veranstaltung des Jahres und zog nebst Indigenen auch Diplomat*innen, zivilgesellschaftliche Kräfte und universitäre Kreise an; zuletzt nahmen bis zu 2'000 Personen an den im Juli stattfindenden Sitzungen teil. Vor allem Staaten, auf deren rohstoffreichen Territorien Indigene Völker lebten, realisierten mit der Zeit, dass in dieser Arbeitsgruppe Weichen gestellt wurden, die ihrer diskriminierenden und menschenrechtsverletzenden Praxis Einhalt gebieten könnte; die WGIP erhielt nämlich die Befugnis, konkrete Normen für den Umgang mit Indigenen vorzuschlagen – für eine Arbeitsgruppe eine erstaunliche Kompetenz. So beteiligten sich die USA, Kanada, Neuseeland und Australien erst in den 1990er Jahren so richtig an den Verhandlungen, weil sie die wachsenden Selbstbestimmungstendenzen eindämmen und sicher gehen wollten, die Kontrolle über das Land der Indigenen nicht zu verlieren. Südamerikanische und afrikanische Staaten befürchteten ihrerseits die Stärkung separatistischer Bewegungen.

Die Reise zur UNO: großes Opfer für Indigene

Die UNO musste bald einsehen, dass sie von den Indigenen nicht verlangen konnte, alljährlich auf eigene Kosten nach Genf und später auch nach New York zu reisen. Oft sind Indigene, etwa aus dem Busch im Norden Kanadas oder aus dem Amazonasgebiet Brasiliens, mehrere Tage unterwegs, nur um zum nächsten Binnenflughafen zu gelangen – was mit großen Kosten verbunden ist. Dann kommt die Reise in die Hauptstadt, um bei der US oder Schweizer Botschaft ein Visum zu beantragen. In Genf (oder NY) brauchen sie Geld für Transport, Unterkunft und Essen. 

1985 segnete die Generalversammlung die Errichtung eines Freiwilligen Fonds zur Unterstützung indigener Delegierten ab. Er speist sich aus den Spenden der Mitgliedsstaaten. Alljährlich finanziert er ca. 60 Delegierten aus der ganzen Welt Reise und Aufenthalt. Heute können die Indigenen auch für andere UN-Organe beim Voluntary Fund anklopfen. Weil dieser primär auf die Spendierfreudigkeit der UN-Mitgliedsstaaten angewiesen ist und diese immer knausriger werden, ist er knapp dotiert. So verfügt der Voluntary Fund der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) zurzeit über kein Geld, nachdem die von der Schweiz gespendeten CHF 150’000 aufgebraucht worden sind. 

Delegierte des kleinsten Indigenen Volkes der USA beim Menschenrechtsrat; Die Havasupai Carletta Tilousi und Dianna Uqualla machen bez. der USA 2014 eine Eingabe beim UN-Zivilpakt (ICCPR)  (Foto: Helena Nyberg)

Als 1995 die Menschenrechtskommission eine zweite Arbeitsgruppe einsetzte, um die Erklärung in eine Form zu bringen, welche von allen Beteiligten akzeptiert werden könnte, brauchte es mehr Mittel für die kontinuierliche Arbeit bei der UNO. Die Indigenen hatten erwartet, dass ihr Entwurf der Deklaration nach 13 Jahren Arbeit endlich an die Menschenrechtskommission überwiesen würde. Diese hätte ihn dann direkt an die UN-Generalversammlung weiterleiten sollen. Aber es dauerte nochmals 12 Jahre, bis 2006 die Arbeit mit einem Erklärungsentwurf abgeschlossen wurde. Er bildet den kleinsten gemeinsamen Nenner der Anerkennung indigener Rechte, die sie den Regierungen auf neutralem Boden der UNO abgerungen hatten.

Es brauchte einen langen Atem – und Geld – um immer wieder an die UNO für eine weitere Sitzung der WGIP zu fahren. Der Indigenen-Fonds des Weltkirchenrats und der durch IWGIA in Dänemark verwaltete Human Rights Fund sowie der von Incomindios initiierte und verwaltete Swiss Fund waren nebst dem UN-Voluntary Fund die einzigen Fonds, welche die Indigenen unterstützten. Am längsten hielt sich der durch die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit gespeiste Swiss Fund von Incomindios: von 1996 bis 2016 ermöglichte er pro Jahr ca. 40-60 erfahrenen und unerfahrenen, jüngeren und älteren, weisen indigenen Frauen und Männern die Reise zur UNO; Incomindios unterstützt die Indigenen bis heute bei der Beantragung von Visa und Akkreditierungen, dem Aufenthalt in Genf und New York sowie mit der Organisation von eigenen Veranstaltungen und Pressekonferenzen. Ohne diese Fonds der Zivilgesellschaft hätten die Indigenen keine Chance gehabt, bei Sitzungen, die ihre Rechte direkt betrafen, ihre Stimme von Jahr zu Jahr einzubringen.

Die WGIP war anfangs das einzige UN-Organ, das Indigenen die Möglichkeit bot, über ihre Lebensbedingungen zu berichten. Deshalb nahmen Hunderte von indigenen Delegierten die kostspieligen Schwierigkeiten auf sich, um zur Arbeitsgruppe zu reisen und ihre konkreten Anliegen vorzubringen. Leider glaubten sie allzu oft, dass sich danach unmittelbar etwas zum Guten wenden würde. Viele reisten enttäuscht wieder ab. Trotz aller Kritik war die UNO der Ort, an dem sie sich kennenlernen, vernetzen und austauschen konnten. Ambitionierte junge Indigene erhielten die Chance, ein Praktikum beim UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte zu absolvieren – Vital Bambanze, Batwa aus Burundi, ist einer der markantesten Fälle von Capacity Building[7] dank der UNO stieg er zum Experten und Präsidenten des afrikanischen Indigenen-Dachverbandes IPACC auf und vertrat die Batwa in einem Senatsausschuss von Burundi. 

UNDRIP – nach 25 Jahren harter Arbeit 

Ab 1995 wurde der Entwurf in einer zweiten Arbeitsgruppe nochmals überarbeitet. Die Indigenen mussten weiter anreisen und darauf achten, dass ihre Rechte auf Land und Selbstbestimmung, kollektive Organisation ihrer Gemeinschaften, auf die eigene Sprach, Kultur und Regierungsform, etc. nicht verwässert wurden. Den Indigenen war klar, dass nach der Ausarbeitung eines Deklarationsentwurfes die WGIP aufgelöst würde und sie kein Gremium mehr hätten, um ihre Rechte voranzutreiben. Sie mussten ihre Lobby-Arbeit bei der UNO intensivieren – und erzielten Erfolge: 2001 setzte der Menschenrechtsrat den ersten UN-Sonderberichterstatter für die Rechte Indigener Völker[8] ein, der ihre konkreten Anliegen anhört; meist gravierende Verletzungen ihrer Land- oder kulturellen Rechte. 2002 wurde das paritätisch strukturierte Ständige Forum für indigene Angelegenheiten geschaffen, das sich im Frühling in New York trifft. Es besteht aus acht Regierungsvertreter*innen und acht von indigenen Organisationen vorgeschlagenen Mitgliedern. Leider kommt es immer wieder vor, dass Indigene aus sogenannt "terrorgefährdeten" Ländern kein Visum für die USA erhalten – eine klare Diskriminierung und ein Rückschritt in der Förderung Indigener Rechte.

Frauenpower am UNPFII 2014: Jessica Vega Ortega (Mixteco, Mexiko) liest ein Statement im Namen der Indigenous Women’s Alliance  (Foto: Helena Nyberg)

Und endlich: Es dauerte fast ein Vierteljahrhundert, bis die United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples (UNDRIP) am 13. September 2007 von der UN-Generalversammlung mit 4 Gegenstimmen[9] und 11 Enthaltungen abgesegnet wurde, als "Minimalstandard für das Überleben, die Würde und das Wohl indigener Völker (Art.43)". Bolivien und Venezuela haben die Deklaration in ihre Staatsverfassung übernommen. Nun geht es um die Umsetzung. Das ist das Hauptmandat der bestehenden drei für Indigene relevanten Instanzen: Als dritte wurde 2007 der Expertenmechanismus über die Rechte der Indigenen Völker eingesetzt, der aber auch keine konkreten Rechtsnormen ausarbeiten darf. Der*die Sonderberichterstatter*in ist zu einer Art "Kummerkasten" geworden, der als einziger die Klagen Indigener Völker aufnehmen kann. Die Verteidigung indigener Rechte geht auch in den UN-Vertragsorganen[10] der Menschenrechtskonventionen weiter. 

Fazit

In den 75 Jahren seit Bestehen der UNO ist der ganze Prozess bis zur Verabschiedung der UNDRIP, die sich auf die ILO-Konventionen 107 und 169 stützt, für die Indigenen einzigartig und wegweisend gewesen. Kein anderes völkerrechtliches Dokument hat so lange gebraucht und die Betroffenen von Anfang an einbezogen wie die UNDRIP. Sie gewährleistet einen völkerrechtlichen Status und bedeutet eine formelle Weiterentwicklung der Idee der Menschenrechte. Zwar ist sie nicht bindend, aber durch ihre lange Entstehungsphase hat sie eine Art englisches Gewohnheitsrecht erhalten und dadurch moralisches Gewicht. So setzen z.B. die Treaty 6-Cree in Kanada die Deklaration ein, um von den Provinzen ein zweisprachiges Bildungssystem zu fordern. Kein Treffen beginnt bei ihnen, ohne dass zuerst aus der UNDRIP zitiert wird.

Die Indigenen haben sich ihre Präsenz bei der UNO schwer erarbeitet. Es ist nicht selbstverständlich, dass sie heute eine Deklaration und das darin wichtige Prinzip der "freien, vorherigen und informierten Zustimmung"[11] zu allen sie betreffenden Projekten in Händen halten. Sie verdanken es ihrer großen Beharrlichkeit, dass sie in allen für sie wichtigen Gremien präsent sind.

Die UN-Generalversammlung hat beschlossen, alle Aktivitäten im Jahr 2020 unter das Motto: «Die Zukunft, die wir wollen, die Vereinten Nationen, die wir brauchen» zu stellen. Sie bekräftigen ihr gemeinsames Bekenntnis zum Multilateralismus. Doch wenn die Umsetzung der UNDRIP nicht gelingt, kann von einem Einbezug aller Völker in die demokratischen Prozesse der UNO nicht die Rede sein. 

Helena Nyberg, Zürich,
Menschenrechtsexpertin Incomindios
www.incomindios.ch


[1] “The Cobo Report”, UN Doc E/CN 4 Sub2/1986/7. 

[2] Zwar wollten die Indigenen Völker, dass die UNO das Jahr 1992 zum Jahr der Indigenen Völker deklariert hätte; das war den UN-Mitgliedsstaaten zu heikel. Sie befürchteten Aufstände der Indigenen v.a. auf dem amerikanischen Doppelkontinent, die sich gegen die staatlichen Feierlichkeiten zum 500. Gedenkjahr von Kolumbus (1492-1992) wehrten.

[3] International Indian Treaty Council, 1974 von 5000 Vertreter*innen von 98 indigenen Nationen Nord-, Mittel- und Südamerikas in Standing Rock gegründet. Dessen Leitung schickte Cherokee Jimmy Durham – heute ein renommierter Künstler, der 2019 den Preis der Biennale von Venedig für sein Lebenswerk erhalten hat – in die Schweiz, um die Schaffung von Organisationen als Sprachrohr ihrer Anliegen zu initiieren. So wurde 1974 Incomindios als International Committee for the Indians of the Americas gegründet, später kamen Soconas Incomindios (Italien), FINCOMINDIOS (Finnland) oder Incomindios Poland (Polen) hinzu. Heute sind zahlreiche Organisationen mit anderen Namen in ganz Europa tätig, die vernetzt sind. Die UNO war und ist eine der Prioritäten unserer Arbeit. Unter dem Namen Internationales Komitee für die Indigenen Völker Amerikas erhielten wir 2003 den ECOSOC-Beraterstatus.

[4] NGO-Conference on Discrimination against Indigenous Peoples of the Americas (1977)

[5] NGO-Conference on Indigenous Peoples and the Land (1981)

[6] Working Group on Indigenous Populations (WGIP) 1982-2006. Erst nach langem Kampf setzten die Indigenen durch, dass "ihre" Arbeitsgruppe nicht mehr für «Populations», also Bevölkerungen arbeitete, sondern für «Peoples», also für (selbstbestimmte) Völker. So heisst das "Produkt" der WGIP denn auch «UN-Deklaration für die Rechte Indigener Völker». Am Wiener Menschenrechtsgipfel 1993 waren die Indigenen mit Schildern an den Verhandlungen präsent, auf denen ein grosses «S» für «Peoples» prangte.

[7] Ermächtigung und Aneignung von Kompetenzen (innerhalb der UN-Organe)

[8] 2001-2008: Rodolfo Stavenhagen (MEX); bis 2014 James Anaya, indigener Rechtsprofessor (USA); bis März 2020 Vicky Tauli-Corpuz, Igorot (PHIL). Zurzeit Francisco Calí Tsay (GUAT).

[9] Zustimmung der 4 Länder: Australien (2009), USA (2010), Neuseeland (2010), Kanada (2016)

[10] Die sog. Treaty Bodies: CERD (Diskriminierung); CEDAW (Frauen); CCPR (zivile und bürgerliche Rechte); zudem Universal Periodic Review des HRC. Die Indigenen konfrontieren die Regierungen mit Länderberichten aus ihrer Sicht und informieren die UN-Experten über Rechtsverletzungen.

[11] Free, Prior and Informed Consent (FPIC)