Die Auseinandersetzung um die Trans Mountain Pipeline (TMX) in Kanada geht in die nächste Runde. Nachdem die Klagen von Indigenen vom Obersten Kanadischen Gerichtshof zurückgewiesen wurden, droht dem Projekt ein Aus von anderer Seite – große Versicherungskonzerne wollen sich aus dem fossilen Geschäft verabschieden.
Seit Jahren verfolgten Kinder Morgan Energy Partners das Vorhaben, die Kapazitäten der seit 1953 bestehenden Trans Mountain Pipeline (TMX) durch eine Erweiterung zu verdreifachen.
Nach finanziellen Schwierigkeiten und angesichts der anhaltenden indigenen Proteste kündigte Kinder Morgan im Sommer 2018 an, das Projekt aufgeben zu wollen, doch unerwartet kaufte die kanadische Regierung die Pipeline, um deren Fertigstellung zu sichern.
Damit handelte die Regierung gegen die selbstgesteckten Ziele des Klimaschutzes und der Versöhnung mit den indigenen Völkern, welche die Pipeline überwiegend ablehnen und seit Jahren auf dem Land, vor den Parlamenten und in den Gerichten dagegen kämpfen.
Ein grober Interessenskonflikt
Noch am selben Tag, als die Aktionäre dem Kauf der TMX durch die Regierung zustimmten, hob ein Berufungsgericht die Genehmigung der Pipeline auf, indem es darauf verwies, dass die betroffenen Indigenen nicht angemessen konsultiert worden seien.
Die Regierung erließ daraufhin eine zweite Genehmigung des nunmehr eigenen Projekts – ein grober Interessenskonflikt. Mehrere indigene Nationen zogen daraufhin erneut vor Gericht.
Am 2. Juli 2020 wies der Supreme Court of Canada den Berufungsantrag der Squamish Nation, Tsleil-Waututh Nation, der Ts'elxweyeqw Tribe und der Coldwater Indian Band gegen die Pipelinegenehmigung zurück und setzte damit einem jahrelangen Rechtsstreit ein unrühmliches Ende. Doch die Indigenen geben ihren Widerstand nicht auf und das Projekt hat noch mit weiteren Schwierigkeiten zu kämpfen.
Explodierende Kosten für den kanadischen Steuerzahler
Anfang Februar 2020 verkündete Trans Mountain CEO Ian Anderson eine enorme Kostensteigerung des Pipeline-Projekts um die Hälfte – statt der prognostizierten CAD 7,4 Milliarden würde sich das Projekt auf etwa CAD 12,6 Milliarden belaufen.
Für den kanadischen Steuerzahler keine tröstliche Konstellation, da durch den Kauf der Pipeline seitens der Regierung bereits erhebliche Kosten entstanden waren – insgesamt belaufen sich die Investitionen durch den Steuerzahler daher bei mehr als CAD 16 Milliarden. Selbiger hatte jedoch nie die finanzielle Entscheidungsfreiheit.
Massive Bedrohung der Umwelt auf Kosten der Armut Indigener Völker
Laut TMX CEO Anderson würde das Projekt jedoch auf immer mehr Zustimmung bei den Indigenen stoßen. 58 indigene Gemeinden, so Anderson, hätten Abkommen mit dem Unternehmen unterzeichnet – vor allem aufgrund des Versprechens von Arbeitsplätzen. Diese Vereinbarungen würden sich auf eine Gesamtsumme von CAD 500 Millionen belaufen – angesichts der gestiegenen Kostenprognose wohl eher die berühmten „Peanuts“.
Doch zunächst zeigte ein erneuter Unfall, wie berechtigt die Warnung vor den Auswirkungen der Pipeline sind. Am 13. Juni entwichen bei einem Spill rund 50.000 Gallonen Öl an der Pumpstation von Abbotsford in British Columbia.
Während das Unternehmen erklärte, man habe alles „unter Kontrolle“, sehen die Indigenen das anders. Chief Leah George-Wilson von der Tsleil-Waututh Nation, eine der Klägerinnen vor Gericht, erklärte, dass es bereits zu mehr als 80 Unfällen der Pipeline gekommen sei, was nur verdeutliche, wieso sie vor Gericht gegen die Pipeline-Erweiterung klagten. „Wir können nicht zulassen, dass die Pipeline unseren heiligen Grund verseucht“, ergänzte Chief Dalton Silver von der Sumas First Nation.
Grand Chief Stewart Philipp, Präsident der Union of British Columbia Indian Chiefs, forderte die Regierung auf, das Projekt sofort zu stoppen, denn der Spill habe sich in direkter Nähe zu Grabstätten der Sty:lo Coast Salish ereignet.
Proteste gegen die "Mancamps"
Die betroffenen Indigenen protestieren nicht nur gegen den Pipelinebau auf ihren Territorien an sich, sondern auch gegen die dafür notwendige Infrastruktur:
Allen voran sogenannte "Mancamps", die hunderte von männlichen Arbeitern beherbergen und somit - wie bereits in der Vergangenheit bewiesen - die Gewalt gegen Indigene, und hierbei insbesondere sexuelle Übergriffe gegen indigene Frauen, in die Höhe schnellen lassen.
Globale Divest-Kampagnen für die Rechte indigener Völker zeigen Erfolg
Die zunehmende Kritik an fossiler Energie treiben auch die weltweiten Divest-Kampagnen voran, welche Investoren, Banken und Versicherungen auffordern, aus den zerstörerischen Projekten auszusteigen, die vielfach das Land indigener Völker zerstören.
Aufgrund wachsenden Drucks hat nun ein Riese der Branche, die Zürich Versicherung erklärt, den Vertrag nicht zu verlängern, sondern im September 2020 aus dem TMX Projekt auszusteigen. Ohne die Deckung der Versicherungen wird es eng für die TMX – zumal auch die Münchner Rück den Ausstieg angekündigt hat: „Wir werden künftig keine Förderung von Teersanden und ähnlicher Infrastruktur versichern“.
Nun konzentriert sich die Kampagne auf die verbliebenen Versicherungen wie Liberty Mutual oder Chubb – sie könnten dem Beispiel folgen.
Autorin Monika Seiller
Redaktionell bearbeitet von Gawan Maringer